Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

Englische 
Kunst. 
Seiten Propheten und Patriarchen, die untere aber auf den Strebe- 
pfeilern die vier Kirchenväter, übrigens aber lauter weltliche Ge- 
stalten enthält, die meisten durch die Krone als Könige bezeich- 
net, nur zwei in voller Rüstung und mit der Helmhaube. Es sind 
brittische Könige, wenn auch die Bedeutung der Einzelnen nicht 
immer ganz sicher ist. Zuerst kommen fünf Gekrönte in alter- 
thümlicher Weiter Tracht, ziemlich ausdruckslos sitzend, die 
sächsischen Könige, so unbestimmt gehalten, theils weil einer 
fernen, halbmythischen Vorzeit angehörig, theils aber auch weil 
ihre Ausführung dem schwächeren Meister übertragen war, 
während der begabtere sich die dankbarere Aufgabe des nor- 
mannischen Heldengeschlechts vorbehalten hatte. Hier erwacht 
denn auch die Darstellung zu höherem Leben; es sind wieder 
fast (lurchgängig sitzende Gestalten, aber in freier ritterlicher 
Haltung und wie im lebendigen Gespräche zu einander gewendet, 
mit ausdrucksvollen Gcbehrden, fragend, betheuernd, nachden- 
kend u. s. f., dabei mit kürzerem Königsmantel, Welcher die meist 
gekreuzten Beine in ihrer kriegerischen Rüstung mit Eisenschie- 
nen sehen lässt. Einige darunter sind besonders anziehend. Einer 
in voller reichgeschmückter Rüstung, das Kreuz auf dem Brust- 
harnisch, das entblösste Schwert in der Rechten, soll wohl, ob- 
gleich ohne Krone auf der Eisenhaube, den ritterlichen Richard 
Löwenherz darstellen, einen anderen jugendlichen König, in fast 
weiblich geschmückter Tracht, mit langen, unter der Krone auf 
die Schulter herabfallenden Locken, und mit einem reichgestick- 
ten Wappenrocke, eine Blume in der Hand, deutet man wohl mit 
Recht auf den unglücklichen Eduard II. Die vortrefflich ausge- 
führte, bedeutsame Gestalt eines Gerüsteten, der wie Richard die 
Eisenhaube ohne Krone, das Kreuz auf der Brust und das Schwert 
in der Hand trägt, aber in viel einfacherer Rüstung mit star- 
rem trübem Blicke unter dem tief heruntergedrückten Helm her- 
vorblickt, ist vielleicht ein Denkmal des eben verstorbenen 
schwarzen Prinzen, dem die Liebe der Nation hier den ihm durch 
seinen frühen Tod entzogenen Platz in der Königsreihe ein- 
räumteit). Man erkennt in dieser Autfassung der nationalen Ge- 
ü) Oockerell a. a. O. hält ihn für Heinrich V., und wenn man die beiden 
nur halb sichtbaren Könige über dem Seitenportal mit einrechnet und mithin
	        
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