Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

Kirchliche 
Sculptur. 
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langen geschwungenen Gewandlinien denen von Deutschland und 
Frankreich gleichen. S0 an der Kathedrale von Wells die Ma- 
donna mit dem Kinde und zwei knienden Engeln im Bogenfelde 
des Ilauptportals, an der von Salisbury die wenigen übrig ge- 
bliebenen Figuren der Strebepfeiler und die reizenden Gestalten 
von 'l'ugenden an der aus dem Kreuzgange zum Kapitelhause 
führenden 'l'hür, in der von Rochester das Bildwerk an dem auch 
architektonisch ganz continentalen Portale des Kapitelhausestß). 
Allein diese continentale VVeise, mochte sie hier von fremden 
oder einheimischen Künstlern ausgeübt sein, fasste in England 
.nicht VVurzel; sie war, Wie es scheint, noch zu massig, trug 
nicht genug den bestimmten, ausspreehbaren Charakter, Welchen 
der englische Geschmack forderte. Daher finden wir denn in ein- 
zelnen Werken, offenbar unter dem Einflüsse der Malerei, eine 
noch viel grössere, bis zur Weichlichkeit gesteigerte Weichheit. 
Ein Beispiel dafür ist ein Relief an einer Altarwand in der Chri- 
stuskirche in Hampshireikie) von sehr phantastischer Anordnung. 
Man sieht nämlich unten zwischen den mit übereinander geschla- 
genen Beinen sitzenden Gestalten Davids und eines anderen Kö- 
nigs den Stammvater Jesse weich hingegossen liegen und aus 
ihm eine Säule aufsteigen, deren breites Kapitäl den Grund einer 
zweiten Abtheilung des Reliefs trägt, welche die Anbetung, der 
Könige enthält, aber so dass zwischen den stehenden Figuren 
und über den Köpfen der beiden herkömmlieheil Thiere, Ochs 
und Esel, die Hirtenseene mit dem erscheinenden Engel in sehr 
kleiner Dimension und wie in perspectiviseher Fernsicht eines 
Gebirgsthales angebracht ist. Nicht blos diese Anordnung ist 
malerisch, sondern auch die Linienführung gleicht mehr der flüs- 
sigen Zeichnung des Malers als jenem plastischen Style des 
Continents. Dieser deutete doch immer feste Körperformen an, 
wenn er ihnen auch starke Wendungen zumuthete; hier aber sind 
4'] Vergl. Cockerel], Iconography of the Westfront of Walls Oathedral, 
Oxford 1852, S. 52. Britton Cath. Antiquities of Salisbury. Das Portal 
von Rochester oben S. 174. 
 Die Abbildung von Carter (Speeimens of ancient sculpture Taf. 32) 
obgleich wie die meisten seiner Zeichnungen manierirt, lässt doch den Cha- 
rakter des Werkes mit Sicherheit erkennen.
	        
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