Ihr
erhältniss
ZllP
Schrift.
45
die sie ihre weiteren mystisch-speculativen Gedanken anknüpfen.
S0 predigt Meister Eckhardt über eine Stelle aus dem Buche det
VVeisheit (K. 18, V. 14): „Denn da alles stille war und ruhete
"und eben recht Mitternacht war, fuhr dein allmächtiges VVort
„herab vom Himmel aus königlichem 'l'hr0ne." Der Verfasser
des apokryphen Buches spricht von den Plagen Aegyptens. er
will diese NVunder, mit denen der Herr sein Volk schützte, mit
Rücksicht auf die heidnischen Aegypter, unter (lßllßll er schrieb,
recht eindringlich schildern; das geschieht denn auch in den an-
geführten Worten, die sich auf die 'l'ödtung der Erstgeburt be-
ziehen. Zu ihrer Ausführung lässt er das Wort des Herrn
herabsteigen, gleich einem Kriegsmann mit scharfem Schwerte
zur mitternächtlicherl Stunde. Es ist also keineswegs von einem
friedlichen, segensreichen Nahen des göttlichen Wortes die
Rede. Aber unseren Prediger kümmert das nicht; er beachtet
nur diese Anfangswerte des Textes , sieht (larin eine Schilderung
der Einkehr Gottes in die ruhende, von allen 'l'agesgeschäften
und Bildern entleerte, ganz hingegebene Seele und bleibt bei
diesem Bilde stehen. Und so geht es auch sonst '11) bei ihm und
bei 'l'auler.
Man darf daraus nicht schliessen, dass diese Gottesfreunde
an das [listorisirhe der Schrift nicht geglaubt hätten, oder da-
gegen gleichgültig gewesen wären; aber sie sind weit davon
entfernt, die Schrift in dem Sinne, wie später die Refbrmatoren,
als das YVort Gottes immer ausschliesslich oder zuerst zu Rathe
zu ziehen. Sie betrachten überhaupt das Dogmatische als fest-
stehend und wenden sich an die Erweckung des inneren Gefühls.
'l'auler sagt wohl ausdrücklich: Was hilft es Dir, dass Christus
geboren ist, wenn er nicht in Dir geboren wird? Diese Wahr-
heit war (lamals neu, sie war das Eine , was N 0th that und der
Einschärfung bedurfte, auf das sie daher iunner zurückkameu.
Und zugleich war ihre Lehre doch nicht ganz die einfache des
Evangeliums, sondern in [ihilosophischer WVeise, sogar ilicllt
ohne mittelbaren Einfluss der antiken Philosophie ausgebildet,
sie War ihnen jedenfalls nicht unmittelbar aus der Schrift, son-
dern auf weitem Umwege durch die Entwickelung der seholasti-
S. Beispiele bei Pfeitfer a. a. O. S. 3 und 109.