Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

Ihr 
erhältniss 
ZllP 
Schrift. 
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die sie ihre weiteren mystisch-speculativen Gedanken anknüpfen. 
S0 predigt Meister Eckhardt über eine Stelle aus dem Buche det 
VVeisheit (K. 18, V. 14): „Denn da alles stille war und ruhete 
"und eben recht Mitternacht war, fuhr dein allmächtiges VVort 
„herab vom Himmel aus königlichem 'l'hr0ne." Der Verfasser 
des apokryphen Buches spricht von den Plagen Aegyptens. er 
will diese NVunder, mit denen der Herr sein Volk schützte, mit 
Rücksicht auf die heidnischen Aegypter, unter (lßllßll er schrieb, 
recht eindringlich schildern; das geschieht denn auch in den an- 
geführten Worten, die sich auf die 'l'ödtung der Erstgeburt be- 
ziehen. Zu ihrer Ausführung lässt er das Wort des Herrn 
herabsteigen, gleich einem Kriegsmann mit scharfem Schwerte 
zur mitternächtlicherl Stunde. Es ist also keineswegs von einem 
friedlichen, segensreichen Nahen des göttlichen Wortes die 
Rede. Aber unseren Prediger kümmert das nicht; er beachtet 
nur diese Anfangswerte des Textes , sieht (larin eine Schilderung 
der Einkehr Gottes in die ruhende, von allen 'l'agesgeschäften 
und Bildern entleerte, ganz hingegebene Seele und bleibt bei 
diesem Bilde stehen. Und so geht es auch sonst '11) bei ihm und 
bei 'l'auler. 
Man darf daraus nicht schliessen, dass diese Gottesfreunde 
an das [listorisirhe der Schrift nicht geglaubt hätten, oder da- 
gegen gleichgültig gewesen wären; aber sie sind weit davon 
entfernt, die Schrift in dem Sinne, wie später die Refbrmatoren, 
als das YVort Gottes immer ausschliesslich oder zuerst zu Rathe 
zu ziehen. Sie betrachten überhaupt das Dogmatische als fest- 
stehend und wenden sich an die Erweckung des inneren Gefühls. 
'l'auler sagt wohl ausdrücklich: Was hilft es Dir, dass Christus 
geboren ist, wenn er nicht in Dir geboren wird? Diese Wahr- 
heit war (lamals neu, sie war das Eine , was N 0th that und der 
Einschärfung bedurfte, auf das sie daher iunner zurückkameu. 
Und zugleich war ihre Lehre doch nicht ganz die einfache des 
Evangeliums, sondern in [ihilosophischer WVeise, sogar ilicllt 
ohne mittelbaren Einfluss der antiken Philosophie ausgebildet, 
sie War ihnen jedenfalls nicht unmittelbar aus der Schrift, son- 
dern auf weitem Umwege durch die Entwickelung der seholasti- 
 S. Beispiele bei Pfeitfer a. a. O. S. 3 und 109.
	        
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