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Die
deutschen
Mystiker.
von Anderen zu erwarten; denn in der That macht er den aller-
ausgetlehnlesterl Gebrauch von Visionen und 'l'räumen, beson-
ders von solchen, die sich auf die öffentlichen Angelegenheiten
oder auf andere Personen beziehen, und die er ihnen mittheilt,
um sie bei ihren Ilandlungen zu leiten. Zum Theil geben diese
'l'räume die Sache selbst; während des Baues einer Kapelle an
der Kirche zum grünen WVÖrth sieht er im 'l'raume darin zwei
Altäre mit einer Menge von Gestalten, auf dem einen Frauen-
bilder in schönen, weissexi, aber mit Blutstropferl besprengten
Kleidern und mit Rosenkränzen, bei denen er sogleich an die
eilftauscntl Jungfrauen denkt, auf dem andern Männer mit feuer-
rothen Gewändern und glänzendem Antlitz, bei denen er zwei-
felt, welche ltlärtyrer damit gemeint seien. Er beschreibt also
Bilder, die er gemalt haben Will. Zum Theil sind diese Träume
aber symbolischer Art; Ereignisse des Johanniterhauses werden
ihm unter dem Bilde eines Nestes mit jungen "Vögeln, das von
einem Adler beschützt wird, gezeigt 11]. In solchen Fällen kann
man wohl glauben, dass seine mit den Angelegenheiten des be-
freundeten I-Iauses beschäftigte Seele diese Traumbilder erzeugt
habe, in anderen aber kann man sich des Verdachts einer Art
frommen Betruges, einer allegorischen Idinkleitltmg seiner wohl-
gemeintcn ltathscltläge, kaum erwehren. WVenn man eimnal auf
Träume und Gesichte etwas gab und Oliienbarungen in ihnen er-
wartete, konnte es kaum fehlen, dass die Phantasie sich hinein-
mischte, und dem unbestimmten Bilde unvermerkt ein bestimmtes
unterlegte, welches den Absichten des 'l'räumenden entsprach.
Dies um so mehr, weil auch diese frommen Männer, wie das
ganze Zeitalter, gewöhnt waren, es mit dem 'l'hatsächlichen
nicht sehr genau zu nehmen, sondern es nur als einen Gegen-
stand allegorischer Deutung zu behandeln. Selbst mit der hei-
ligen Schrift verfuhren sie nicht anders. Eckhardt und Tauler
predigen stets über den für diesen 'l'ag vorgeschriebenen 'l'ext,
aber es fällt ihnen nicht ein, den Sinn desselben in historischer
Verbindung mit der ganzen Heilsordnung näher zu betrachten.
Sie geben vielmehr den bVorten der Schrift und zwar der ein-
zelnen herausgerissenen Stelle eine allegorische Beziehung, an
"Ü Schmidt, Gottesfreunde, S. 135 und 147.