Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

Skizzenbuch 
des 
Malers 
Jaques. 
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in den letzten Buchstaben nicht ganz deutlichen, vielleicht auch 
beschädigten und hergestellten Schrift. Llnzweifelhaft ist, dass 
der Vorname J aques lautet, Während der Beiname früher Dalive 
oder Dalime gelesen ist, vielleicht aber Daliaye heisst, und so- 
mit die Hiinveisuiig auf einen französischen, aber bei der Un- 
sicherheit der Orthographie schwer zu errathenden Ort enthalten 
Würde i). Jedenfalls aber erkennen wir in der Zeichnung die 
entschiedenste Mischung französischer und niederländischer Züge. 
Einige Figuren, z. B. die allegorischen Gestalten mit ihren über- 
mässig schlanken Taillen und den enganliegenden in sehr un- 
klarer VVeise drapirten Gewändern entsprechen ganz dem Typus 
der französischen Miniaturen, Während andere z. B. die Hirten 
bei dem einen legendarischexi Hergange und neben der Heim- 
suchung schon völlig den breiten, genreartig karrikirten Typus 
niederländischer Bauern haben, wie er sich bis auf 'l'eniers und 
später erhalten hat, und die sorgfältige Ausführung des Realisti- 
schen, z. B. des Hühnerhofes, in welchem der Einsiedler sitzt, und 
besonders der Landschaften mit ihren Bergen und Wialdstiicken 
und mit der weiten Perspective der Thäler, in welchen die Wall- 
fahrer ziehen, auf französischem Boden eine gewaltige Neuerung 
bildet. Zu einem völlig festen, der Ueberlieferung fähigen Typus 
kommt unser Meister dabei freilich nicht, und 0b seine Mittel zu 
tragischem Ausdrucke und zu grösseren Dimensionen ausgereicht 
haben würden, mag dahin gestellt bleiben und eher bezweifelt 
werden. Wohl aber ist sein eklektisches Verfahren ein sehr ver- 
ständiges und gelungenes und wird durch ein liebenswürdiges, 
für sanfte und heitere Motive wohl geeignetes Talent getragen. 
Er weiss die realistische Mannigfaltigkeit mit der Harmonie der 
französischen Schule zu verbinden und hat den Vorzug, dass sich 
Ü Die Zeichen Dali..e scheinen mir ausser Zweifel, der dazwischen ste- 
hende Buchstabe, den man in Erinnerung theils an das M der mittelalterlichen 
Majuskel, theils an das W moderner gothischer Schrift, aber in geringer Ueber- 
einstimmung mit der Minuskel des vierzehnten Jahrhunderts, der die übrigen 
Buchstaben angehören, ausgelegt hat, dürfte eher eine Oontraction von ay sein. 
Die Deutung auf Lüttich (Liege) ist durch das a ausgeschlossen, welches (da 
da an Stelle van de wohl keinem französischen Dialecte entsprechen mögte) 
einen mit dem Buchstaben A anfangenden Ortsnamen voraussetzt, welcher 
etwa Ailly oder ähnlich lauten könnte.
	        
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