Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

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Religiöse 
Zustände. 
grossen Zahl von geistlichen 'l'öchtern in steter Beziehung, die 
zum Theil Visionen über ihn, auch wohl gleichzeitige mit ihm 
haben, und deren Verehrung für ihn sich in süsslicher Weise 
äussert i). Auch blieb es nicht aus, dass er dabei „den Lohn 
der Welt" empfing und in argen Verdacht kam, den er aber als 
eine Leidensübung erduldete. Bei allen seinen Schwächen sind 
die liebenswürdigen Eigenschaften, die Reinheit, Einfalt und 
Wärme seines vminnereichen" Gemüths, die Kenntniss des 
eigenen und des menschlichen Herzens überhaupt, der ernste 
Schmerz über die V erderbniss der Welt, die Gedankentiefe 
seiner Speculationen so überwiegend, dass wir uns an dem an- 
ziehenden Bilde seines Lebens ungestört erfreuen können. 
ES ist begreiflich, dass bei dieser Steigerung sowohl des 
Gefühls als der Gedanken auch die Phantasie in hohem Grade 
erregt wurde. Schon jene mystische Einung mit Gott, wenn sie 
auch als im tiefsten Grunde der Seele ausserhalb des Raumes 
und der Zeit vor sich gehend gedacht wurde, musste doch, da 
sie in das zeitliche Leben eingriff, als eine vereinzelte Erschei- 
nung aufgefasst und Gegenstand der Vorstellung werden. Un- 
sere Mystiker sprechen sich freilich darüber nur in unbestimmten 
Andeutungen aus; sie wissen nicht, ob sie in oder ausser dem 
Leibe gewesen sind, sie können nicht davon sagen, weil es un- 
aussprechliche, die Vernunft übersteigende Dinge sind, aber sie 
haben doch die Erinnerung überschwenglicher Freude, und be- 
zeichnen den Zustand dieser Verzückung durchweg als einen 
nlichtreichen", geben daher die Vorstellung des Glanzes. Bei 
einigen sind auch die Sinne bestimmter berührt. Ruolman 
Merswin sieht bei seiner ersten Verzückung, während er in 
seinem Garten in dankbarem Nachdenken über Gottes an ihm 
bewiesene Gnade herumgeht , ein klares Licht, wird dann in die 
Luft geführt und hört süsse Töne; Tauler, am Ende seiner zwei- 
jährigen Busszeit, versteht die ihm zugerufenen Worte; Snso 
a] Er hatte im Anfange seiner Kasteiung den Namenszug Jesus (J. ES.) 
auf seiner Brust eingeschnitten, eine seiner geistlichen Töchter kam nun auf 
11m Einfall, denselben Namenszug auf Tüchlein zu sticken, die er auf sein 
blosses Herz legte, und so mit seinem Segen seinen anderen geistlichen Töch- 
tern sandte. Diepenbrock a. a. O. S. 184.
	        
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