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Die
niederländische
Kunst
kommen das Recht hatte, neben den heiligen Gestalten auch dem
Humor Raum zu geben, kam jenes nationale Element mehr zu
seinem Rechte und zu weiterer Ausbildung, so dass es Lächeln
und VVohlgefallen erweckte, und dann, sobald sich die Strömung
von der idealen Seite Wieder mehr zur realen hinwendete, der
niederländischen Kunst einen Vorzug vor der der anderen Länder
verschaffte.
Allerdings war dann auch die Vereinigung der Niederlande
mit Burgund ein günstiger Umstand; aber doch von mehr mittel-
barer Wirkung. Man kann nicht behaupten, dass Philipp der
Kühne und noch weniger, dass sein Sohn Johann der Furchtlose
grosse Kunstfreimde gewesen, sie hatten zwar stets einen und
oft mehrere Maler mit festem Gehalte und mit dem Ehrentitel
eines Hofbedienten, als varlet de chambreü) in ihren [Neuster],
aber die Zahlungen, Welche diesen Künstlern geleistet worden,
ergeben, dass sie meistens nur mit Anfertigung des ganzen bun-
ten Apparats, mit dem man damals 'l'urniere und andere [feste
zu schmücken liebte, mit Bemalung von Fahnen, Harnischen,
Zelten, WVagen, Masken, ja selbst mit Lieferung der Kleider für
das Gefolge des Herzogs beschäftigt waren. Während Philipps
Regierung kommt die Bestellung eines Gemäldes höherer A"
nur ein Mal vor, es ist eben jenes schon erwähnte Altarbild des
Johann von Hasselt, des Hofmalers seines Vorgängers, so dass
diese xiöllig einzig dastehende Bestellung vielleicht irgend ein be-
sonderes Motiv des Mitleids oder der Entschädigung hatte, wäh-
rend die eigenen Maler des Herzogs ihm geradezu nur als Ge-
hülfeir seiner Feste dienten. Allein dennoch kam dieser Luxus
des burgundischen Hofes der Kunst zu statten, auch diese fest-
lichen Aufgaben forderten geschickte Hände, wurden ein Gegen-
stand des VVetteifers, zogen Künstler herbei, gaben denselben
einen V ereinigungs- und Mittelpunkt, wurden der vornehmen
Die Ehre eines solchen Titels war nicht sehr gross, Sticker, Tapezierer,
Kürschner, Gewürzkrämer, Schuhmacher (de Laborde a. a. O. I, pag. XL und
Nro. 959, 972, 1001, 1056, 1292, II, 4943) führen ihn; aber er gewährte ein
nicht unbedeutendes Gehalt (200 Livres und mehr] ohne fortlaufende Ver-
pflichtung und während etwaniger Dienstleistungen die Bewilligung von zwei
Pferden und einem Diener (varlet ä livree].