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Niederländische
Kunst
alle grösseren Gemälde dieser Epoche, die wir in den gesammten
Niederlanden nachweisen können. Allerdings werden der puri-
tanische Eifer und die spätere Geschmacksrichtung der Holländer.
die Bilderstürme, die vielen Kriege und Belagerungen und be-Ä
sonders die Prunksucht des wiederhergestellten Katholicisnlus
in Belgien unendlich viel zerstört haben. Allein nicht blos die
Meisterwerke der Brüder van Eyck und Memlingis, sondern auch
geringere Bilder des späteren fünfzehnten und des sechszehnten
Jahrhunderts sind der Zerstörung entgangen, so dass man dieser
allein den ltlangel älterer Gemälde kaum zuschreiben kann. Je-
denfalls aber werden nicht gerade die schlechtesten Bilder er-
halten sein, und dennoch lassen diese Ueberrestc Weder einen
erheblichen Aufschwung, noch eine bedeutsame Eigenthümlich-
keit dieser niederländischen Schule erkennen. Sie sind den
gleichzeitigen läölnischen Bildern sehr verwandt und stehen im
künstlerischen YVerthe den besseren derselben weit nach. Die
Körper sind ebenso schlank gehalten, die Gewandbehandlung
mit dem Sclnvurige langer Linien ist ganz ähnlich, und nur darin
kann man eine Verschiedenheit bemerken, dass die Gesichter
etwas voller, die Hände schwerfälliger und ohne die typische
Zierlichkeit sind , und das Colorit, besonders der Köpfe , bräun-
licher und ohne die dort beliebten weissen Lichter ist. Auf dem
Bilde zu Brügge kann man bei übrigens sehr handwerksmässiger
Ausführungen der Gruppe der lilänner neben dem Kreuze in dem
fast bnrlesken Ausdrucke ihrer verschiedenen Empfindungen viel-
leicht eine Spur naturalistischer, genrehafter Tendenz entdecken
caden gemalt, die Grafen stets in voller Rüstung, zwei Mal jedoch mit einer
Nebenfigur, das eine Mal ohne Zweifel die Gemahlin des Grafen in reicher
weiblicher Tracht, das andere Mal aber, bei Balduin I., dem Vater des Kaisers
von Constantinopel, eine nackte, nur durch einen Hermelinmantel verhüllte
Gestalt , deren Geschlecht eben dadurch unkenntlich ist. Ludwig von Maele
hatte wahrscheinlich die Ahnenreihe bis auf seine Zeit fortführen, die dadurch
nicht in Anspruch genommenen Felder aber blos mit demselben tapetenartigen
Grunde ausfüllen lassen, auf welchem dann später die Bildnisse KarYs V. und
anderer spanischer Könige, die sich ebenfalls erhalten haben, aufgetragen sind.
4') Das Temperabild, die Jungfrau mit dem Kinde nebst verschiedenen
Heiligen auf blumiger Wiese, welches Passavant (Kunstreise S. 348) in der
Sammlung des Herrn Imbert in Brügge sah, ist mir unzugänglich geblieben.