Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

Die 
deutschen 
Mystiker. 
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habe, er könne und müsse seinem Nächsten das Himmelreich 
eher Wünschen, als sich selber. Den wahren Gottesfreunden, 
sagt er ein anderes Mal, vcrschmelze das Herz von Minne aller 
Menschen, der Lebenden und Todten. Und dies bemerken wir 
auch in ihren Briefen; sie sind überfliessend von Liebe, sie 
nennen sich mit den zärtlichsten Ausdrücken, selbst Warnungen 
und Vorwürfe werden in der mildesten Weise ausgesprochen; 
sie sind unter einander immer geneigt, Alles auf das Günstigste 
auszulegen. Nicolaus giebt den jungen Brüdern des Strassbilrger 
Hauses dazu förmliche Anleitung, indem er sie auf die V erschie- 
denheiten der Stimmungen und des 'l'emperamentes hinweist 
Auffallend oontrastirt gegen diese Liebeswärme die Kälte 
der ehelichen Verhältnisse. Schon Ruolmann lilerswin, der sich 
von seiner treuen, ehrbaren Hausfrau, mit der er lange gelebt, 
ohne Wider-streben trennt, ist ein Beispiel; indessen geschah es 
mit ihrer Einwilligung. Viel stärker ist aber die Geschichte 
eines der näheren Genossen des Nicolaus. Nicht blos Ehemann, 
wie Ruolmann, sondern auch Vater von vier Kindern, ergreift 
ihn der Gedanke, der VVelt zu entsagen. Seine Frau Will aber 
nicht einwilligen, sondern misshandelt ihn mit der äussersten 
Rohheit , verspottet und lässt ihn verspotten , verbietet sogar den 
Kindern, ihm zu gehorchen. Er wendet sich nun an Geistliche, 
um sich Raths zu erholen, und endlich an Nicolaus; sie alle 
stimmen überein, dass er ausharren müsse, bis Gott über ihn 
verfüge, aber keiner kommt auf den Einfall, dass die Bande, die 
er zerreissen will, auch ihre Rechte haben und dass er Gott auch 
in der Erfüllung seiner hausväterlichen Pflichten dienen könne. 
Und so duldet er denn wirklich sechs Jahre lang, bis sich das 
Missverhältniss in einer unser Gefühl ziemlich verletzenden 
VVeise Wirklich dadurch löst, dass Frau und Kinder an der Pest 
sterben und er nun in das Haus des Nicolaus eintritt. Indessen 
beruhet diese allseitige Kälte und Rohheit nicht sowohl auf einem 
Mangel an Liebeskraft und Wärme überhaupt, als auf einem an- 
deren allerdings bedeutenden sittlichen Mangel des Milfelalters, 
auf der unvollkommenen Würdigung der Ehe. 
In Folge der asketischen Uebersehätzung der Ehelosigkeit 
Ü C. Schmidt, Gottesfreunde, S. 126.
	        
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