Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

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Französisch-niederländische 
Kunst. 
sehen und zeigt sich an den darstellenden Künsten noch deut- 
lieher. Paris blieb fortwährend, selbst während der Kriege, der 
Hauptsitz der Dliiliatttrmalerei in Europa, blieb es selbst dann, 
als niederländische Künstler diesem Kunstzweige die höchste 
Vollendung gaben, und die Grabmonumente beweisen ungeachtet 
aller Zerstörungen, dass die Neigung für künstlerische Pracht 
nicht abnahm, sondern stieg  Nicht die Noth, sondern der 
Luxus des französischen Volkes öffnete der niederländischen 
Kunst die Thore, und dass er sieh ihr zuwendete, kann nur auf 
inneren Gründen beruhen, die wir durch Betrachtung der vor- 
handenen Denkmäler und des geschichtlichen I-lerganges erfor- 
sehen müssen. 
ln der M inia turma l erei finden wir im Anfange der Epoche 
die französische Kunst auf demselben Wege fortschreitend, den 
sie bereits in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts 
eingeschlagen hatte; sie liebte kleinere Vignetten auf tapetenar- 
tigem Grunde mit leichter Färbung und feiner Federzeichnung, 
deren Verdienst weniger in scharfer Charakteristik oder beson- 
derer Tiefe des dramatischen Ausdrucks, als in anmuthigcr, vor- 
nehmer Ilaltuilg undiin feinen, dem Leben entlehnten naiven 
Zügen besteht. Vergleichen wir die Arbeiten dieser Art aus den 
ersten Jahren des vierzehnten Jahrhunderts mit den Anfängen 
dieser Richtung, etwa mit dem in der vorigen Epoche erwähnten 
Psalter des h. Ludwig  so zeigen sich entschiedene Fort- 
i) Am Anfange des vierzehnten Jahrhunderts galt es für hohen Schmuck 
eines königlichen Denkmals, wenn die Gestalt, in weissem Marmor ausgeführt, 
auf eine Platte von Sandstein oder schwarzem Marmor gelegt wurde, am 
Schlusse desselben wird das Grab der Königin Blanea, Gemahlin Philipps VI. 
 1398), von vierundzwanzig Ahnenbildern in Marmor umstellt. Guilhermy, 
St. Denis, S. 282. 
41') Zur näheren Zeitbestimmuug der Miniaturen dieses Bd. V, S. 648 er- 
wähnten Psalters kann ich mich jetzt noch auf ein, demselben in Zeichnung 
und Styl überaus nahe verwandtes Werk beziehen, nämlich auf den in der 
Ambrosianisehen Bibliothek zu Mailand beiindlivhell Codex moralischen Inhalts, 
welcher zufolge der darin befindlichen Inschrift im Jahre 1279 auf Befehl Phi- 
lipp's (IIL) von Frankreich von dem Dominicaner frater Lorant compilirt wurde. 
Dass es das Originalexemplar ist, ergiebt sich theils aus dem Dedicationsblatte, 
theils daraus, dass dem Texte überall eine Anweisung für den Maler, welche 
Figuren er darzustellen habe, hinzugefügt ist.
	        
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