Steinsculptur.
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terte allerdings das XVagniss, aber immerhin ist es ein merk-
würdiger Beweis eines entschieden naturalistischen Strebens, das
selbst in der gleichzeitigen Blüthe der Malersehule von Prag
keine Erklärung findet. Die Zahl erhaltener Seulpturen dieser
Zeit ist hier zu klein, um es als eine gemeinsame Eigenschaft
der dortigen Plastik zu betrachten, indessen spricht dafür eine
jetzt in einem abgelegenen Raume des Domes bewahrte steinerne
Statue des h. WVenzel, Welche auf ihrer Basis das Zeichen des
Peter Arler enthält, wie es sich an seiner Büste auf der Gallerie
findet, und daher als sein eigenhändiges WVerk angesehen wer-
den kairnit). Es ist zwar ein einfaches Standbild des Heiligen
im Kettenharnisch mit anliegender 'l'unica und wohlgearbeiteten
Beinschienen, aber die freie und bewegte Haltung des Körpers,
motivirt durch eine Seitenwenduxig des Kopfes _und Blickes, zeigt
doch ein entschiedenes Streben nach dramatischer Lebendigkeit.
Von den Werken der Steinsculptu r habe ich nach dem,
was bei Gelegenheit der Kölner und Nürnberger Schule gesagt
ist, nur eine Uebersicht des in anderen Gegenden Vorhandenen
zu geben. Ueberall wo man in Sandstein baute, ist sie zahlreich
und auch durch manches Schöne und Erfreuliche vertreten, das
aber freilich auch überall mit vielem Rohen und Linbedeutentien
gemischt ist und bei der Gleichheit der Gegenstände und des
unscheinbaren Materials leicht übersehen wird. Scharf geson-
derte Gruppen bilden sich in dieser Masse nicht; weder in geor-
gralwhischer Beziehung, da die provinziellen Eigenthümlichkeiten,
wenn überhaupt vorhanden, sehr unbedeutend sind, noch in chro-
nologischer, da der Fortschritt von der anfänglichen mehr idealen
und eonventionellen zu der späteren mehr realistischen WVeise
höchst allmälig und unmerklich vor sich geht und nicht durch
cpochemaehende Künstler geleitet ist. Einigermassen orientirend
ist die Vergleichung der vielfach wiederkehrenden Darstellungen
gleichen Inhalts und vor Allem der Madonnenstatuen, Welche in
jeder Beziehung die wichtigste Aufgabe bildeten und an denen
sich, selbst an unscheinbarer Stelle und in geringem Stoffe, das
künstlerische Gefühl zu höherem Fluge erhob. Dahin gehören
eine solche Statue im Chore der Predigerkirche zu Erfurt noch
T) S. die Abbildung im Organ für christliche Kunst 1857, Nro. 15.