Die
deutschen
Mystiker.
37
Leiden, die ihnen von Gott gesendet sind. Man sieht, es ist
mehr ein Kampf gegen die Sinnlichkeit, als ein Bestreben auf
innerlichste Reinigung des Willens, das Geheimniss ist greif-
barer geworden. Freilich fühlen sie dann auch alle die Gefahr,
die in dieser Auflassung liegt. 'l'anler, indem er in solchen
Bussülmtigen eine grosse. starke Hülfe zu einem geistlichen
Leben erkennt, warnt doch eindringlichst vor dem Uebermaass,
vor der Werkheiligkeit, vor der „selbstgemachten Myrrhe", und
ebenso ist Nicolaus, wenigstens in seinen späteren Jahren, allem
Selbstgemachten entschieden entgegen; einem Freunde. der ihn
über den VVerth solcher Büssungen befragt, giebt er den Rath,
das härene Hemde abzulegen und sich aller harten äusseren
Llebung zu enthalten; Gott könne und werde ihn wohl zur Ge-
nüge üben. Daher legen sie denn nun auf das Ertragen der von
Gott gesendeten Schmerzen und Uebel grosses, fast übergrosses
Gewicht. Einen sclnveren Tod hielten sie für eine göttliche
Gnade; von 'l'auler ist ausdrücklich bemerkt, (lass er einen sol-
chen gehabt; bei Ruolman Merswin wird hinzugefügt. dass er
ihn aus göttlicher Minne gar sehr begehrt habe, um dem Leiden
und Tode unseres Herrn in etwas nachzufolgcn. Mit leiblicher
Krankheit haben sie beständig zu kämpfen; sie glaubten sich
von Gott vergessen. wenn sie ohne Leiden waren. Leiden und
Beseligung hing ihnen auf das Unmittclbarste zusammen; die
Brüder des grünen Wörths, die bei Nicolans angefragt hatten,
wie sie zu jener höheren Einung mit Gott gelangen könnten,
warnt er vor dem Wunsche solcher Gnade, denn es würde sich
fragen, ob sie die starken Streiche Gottes ertragen könnten,
welche sie danach erleiden müssten. Freilich mochte er bei
dieser Antwort. auch an eine andere Gefahr denken, die sehr
nahe lag und für die er ein sehr scharfes Auge hatte, an die des
geistlichen Ilochmtltltes. Dem Lehrmeister der Augustiner
schreibt er auf einen ähnlichen YVunsch: Eine so grosse über-
natürliche Gnade haben wollen, könne kaum ohne etwas geist-
licher Hoffahrt sein; solle das Lieht des heiligen Geistes einen
Menschen übernatürlich erleuchten, so müsse er diesen so voller
Demuth, so Gott zu Grunde gelassen, finden, dass er keinen
eigenen VVunsch und Willen mehr habe.