Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

Grabsteine. 
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ist schon die steife 'l'racht der Zeit ein Hinderniss; die kurzen. 
Jacken oder Röcke, unter denen die engbekleideten Beine in er- 
müdcnder Parallele liegen, oder gar die starren Schienen der rit- 
terlichen Rüstung und der glatte, über den [lüften unnatürlich 
eingeengte Panzer, der mit allen seinen Näthen, Buckeln, Haken, 
Riemen und den bei höherem Range wachsenden Verzierungen 
getreulich ilachgebildet ist, geben uns wohl interessante Costüm- 
Studien, gestatten aber kaum eine freie, lebensvolle Behandlung. 
Es kann sein, dass diese Costümtreue, welche in vielen Fällen 
noch durch naturgemässe Bemalung verstärkt wurde, den Künst- 
lern vorgeschrieben war, aber sie hing auch mit ihrem Ge- 
schmacke zusammen; denn sie geben nicht blos dem Körper die 
möglichst steife Haltung, gleich als komme es ihnen darauf an, 
die mühsamen Bewegungen eines schwergeriisteten Ritters auf 
die Nachwelt zu bringen, sie zeigen ihn ganz in Vorderansicht 
mit symmetrisch gespreizten Beinen und gekrümmten Armen, 
sondern behalten diese starre Symmetrie auch bei der Behandlung 
des Haares bei, wo dasselbe zum Vorschein kommt, und fügen 
zu den kleinlichen Details der Tracht auch noch die der architek- 
tonischen Einrahmung. Es scheint also, dass dies alles eine Wir- 
kung des beginnenden Naturalismus War, der seine Studien zu- 
nächst an todten Stoffen machte und wenigstens in dieser Bezie- 
hung ein treues Portrait geben wollte, wobei sich denn die Steif- 
heit der Haltung theils auch als eine Studie nach dem Leben, 
theils aber als ein Surrogat des Styles und unentbehrliches Mittel 
der Einheit empfahl. Gerade deshalb  weil aus der Auffassung 
der Künstler hervorgehend, stört diese Steifheit weniger, sie 
giebt uns vereint mit der Genauigkeit der Tracht und der mehr 
oder weniger gelungenen Individualisation des Kopfes das Bild 
eines gesetzten ehrenfesten Wesens, vergegenwärtigt uns frei- 
lich nicht die tiefen poetischen Regungen dieser Zeit, wohl aber 
die ruhige Gesetzmässigkeit des Mittelalters, den Einklang bür- 
gerlicher und religiöser Verhältnisse, in der That eigentlich eine 
Stimmung, die nicht mehr bestand, aber die doch im Bewusstsein 
lebte und erstrebt wurde. Von den zahllosen Arbeiten dieser Art 
nenne ich nur einige, von denen erträgliche Abbildungen de) exi- 
ik) Puttrich II, 2, Serie Eisleben, Bl. IX.  Müller, Beiträge II, Tag
	        
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