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Deutsche
Malerei.
Auch in der Mark Brandenburg haben die Wenigen noch dem
vierzehnten oder der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts
angehörigen Altäre, wie die in der Kirche zu Werben und der
in der Petrikirche zu Stendal, sehr gut ausgeführtes Schnitzwerk,
der letzte jedoch mit Flügelbildern, welche im Schwunge der
Linien sehr an Kölnische Schule erinnern. Ueberhaupt finden Wir
den Einfluss dieser mächtigen Schule je mehr wir nach VVesten
vorschreiten, zunehmend. In Mecklenburg erkennen wir ihn an
einem Bilde in der Klosterkirche zu D oberan, welches denselben
Gegenstand wie der Altar von Tribsees, jedoch in etwas verein-
fachter Darstellung enthält und, wie man aus der Lebensdauer der
darauf dargestellten Donatare schliesst, in den Jahren 1412 bis
1434 gemalt sein musstit). Noch stärker ist er auf den gewalti-
gen Flügelbildern, welche aus der Klosterkirche St. Michaelis zu
Lüneburg in das Königliche Museum zu Hannover gelangt
sind, und in 36 Tafelbildern auf Goldgrund die Geschichte Christi
und der Jungfrau, auf den Aussenseiten aber die eherne Schlange
und die Kreuzigung darstellenw). Die zarte Farbe, der leichte
Schwung der Linie und die Motive lassen auf einen mittel- oder
unmittelbaren Schüler des Meisters VVilhelm schliessen, der, da
eine Versendung bei den gewaltigen Dimensionen nicht wahr-
scheinlich ist, hier gearbeitet haben muss. Einige andere Werke
im Lüneburgischen sind älter und lehnen sich unmittelbarer an
die Tradition der Miniaturen an. Dies gilt schon von den grossen
Wandmalereien im Nonnenchor des Klosters Wienhuseniuluk).
Sie geben an den Wänden, oberhalb der Chorstühle zuerst Le-
genden, wahrscheinlich die Entstehung des Klosters, dann in
architektonischer Einrahmung alttestamentarische Hergänge, von
der Schöpfung an, endlich an den Gewölben die Geschichte
Christi. Die Ausführung, handwerklich aber im Miniaturenstyl,
s) Lübke im D. Kunstbl. 1852, S. 316, mit Bezugnahme auf Lisch, Jahr-
buch IX, 424 rüeksichts der Persönlichkeit und Lebenszeit der Stifter.
M] Der Altar, zu welchem diese Fliigelbilder gehörten, hatte wegen der
reichen Reliquienbehälter, die er verschloss, den Namen der goldnen Tafel.
a") Abbildungen und Nachrichten in Mithofs Archiv für Niedersachsens
Kunstgeschichte, 2. Abth. Vergl. D. Kunstbl. 1853, S. 299. Die Gemälde
haben übrigens 1488 eine Restauration erhalten, welche ihre Beurtheilung
erschwert.