Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

Charakteristik. 
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später nicht gestattet, sich der Freude an dem heiteren Scheine 
der VVelt und dem süssen Spiele mit den Vorstellungen kindli- 
cher Unschuld und jungfräulicher Anmuth so riickhaltslos hinzu- 
geben wie die Schule Meister Stephans. Sie verändert sich daher 
auch viel Weniger wie jene und behält denselben Charakter bis dahin, 
dass auch sie bald nach der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts 
durch flaudrischen Einfluss modificirt wird. Sie ist immer ernst 
und besonnen, mässig in ihrer künstlerisch religiösen Begeiste- 
rung, bürgerlicher, der rheinischen Schule in poetischem Reize 
nicht völlig gleich, aber doch erfreulich eben durch diesen gesetz- 
ten ehrbaren Sinn und in Beziehung auf Zeichnung und Körper- 
kenntniss ihr voraus. Auch in den Gegenständen und in der Be- 
Stimmung der Bilder zeigt" sich diese Verschiedenheit. Die 'l'af'el- 
malerei steht ihrer Natur nach mehr im Dienstedei- Privaten als 
grosser Anstalten, und dies erkennen wir in beiden Schulen. 
Aber Während die grössere Zahl der Köluischen Bilder durch 
ihre Dimensionen und ihre Behandlung die Bestimmung für 
häuslichen Gebrauch verräth, sind in Nürnberg die meisten zwar, 
wie Bildnisse oder XVappen ergeben, von einzelnen städtischen 
Patriciern bestellt, aber sämmtlich als Altarschmuek oder als 
Gedenktafeln für die Aufstellung in einer Kirche. Sie sind daher 
auch im Inhalte kirchlich, feierlich, zuweilen wohl mit schwer- 
fälliger, scholastischcr Symbolik, aber niemals mit der idyllischen 
Poesie, mit dem süssen Lächeln träumerischer Gefühle, wie in 
der Kölner Schule.  
An historischen Einzelheiten sind wir hier noch ärmer als 
dort; keine Chronik giebt uns Nachricht, kein Künstlername 
wird uns bedeutsam genannt 211). Wir werden ausschliesslich auf 
die Bilder angewiesen. Von diesen tragen einige Jahreszahlen, 
zwar nicht der Vollendung des Bildes, sondern des Todes der 
Person, zu deren Gedächtniss es gestiftet wurde, was, wenn 
auch nicht unbedingt zuverlässigäm), doch in der Regel die Zeit 
i") v. Murr hat zwar in seinemJoumal Malernamßn öllS amtlichen Urkun- 
den mitgetheilt, aber ohne Beziehungen, welche über ihre künstlerischen Lei- 
stungen urtheilen lassen. 
a") Siebenkees, in den Materialien z.Gesch. Nürnbergs I, 6O,weist einige Fälle 
nach, wo die Gedenktafel lange nach dem Tode des Verstorbenen gemacht ist.
	        
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