482
Die
Schule
V01]
Prag'
den dagegen die Wandmalereien in den Fenstertiefen der Kreuz-
kapelle aus der Jugendgeschichte des Erlösers und wiederum
aus der Apokalypse angehören, da das Wort: pictura solemuis,
welches der Kaiser in der angeführten Urkunde mit Erwähnung
dieser Kapelle braucht, nur auf diese Bilder passt; ebenso werden
die Porträtbilder des Kaisers in der Himmelfahrtskirche, in Wel-
chen er in verschiedenen Epochen seines Lebens, mit seiner
ersten schon 1348 gestorbenen Gemahlin und mit seinem erst
1361 gebornen und hier schon zwölfjährigem Sohne WVenzel
erscheint, von diesem seinem vieljährigen Hofmaler herrühren.
Diesen gleichen dann die 'l'afelbilder dieser und der andern Ka-
pellen insoweit, dass sie wo nicht von ihm selbst doch von sei-
nen Schülern gemalt sein werden. Zwei der besseren dieser
Bilder, die Kirchenväter Ambrosius und Augustinus, sind in das
Belvedere zu Wien gelangt. Auch in der Wenzelskapelle des
Doms sind abgesehen von den obern, im Style der Cranachschen
Schule erneuerten unten noch Wandgemälde aus der Zeit Karls
und in der Weise des Theoderich erhalten.
Das Gemeinsame aller dieser Bilder ist eine eigenthümlich
schwere und derbe Körperbililung, kurze Verhältnisse, grosse
Köpfe, runde Gesichter mit breiten Nasenrücken und weitgeöff.
neten Augen, naturgemäss bewegte Hände, aber plumpe Füsse
und breit behandelte Gewänder mit einer Einfarhheit des Falten-
Wurfs, die bei grossen und ganzen Figuren dürftig erscheint.
Feinere Modellirung muss man bei diesem Meister nicht suchen,
und der momentane Ausdruck ist schwach und unbestimmt.
Aber eben jene schwere Gesichtsbildung in Verbindung mit der
einfachen, in den Schatten schwärzlich grauen Farbenbehandluug,
giebt seinen Gestalten eine gewisse derbe Grossarligkeit und
Würde, ja sogar eine Art idealer Schönheit, welche imponirt,
und es begreiflich macht, dass der Kaiser grade an diesem Style
Gefallen fand. Wie lange Theoderich gelebt, ist unbekannt; ein
kleines Tafelbild aus der Decanatkirche zu Raudnitz, jetzt in der
ständischen Sammlung zu Prag, Welches in seiner untern Hälfte
einen Erzbischof nebst mehreren Heiligen, oben aber vor der
Jungfrau kniend den Kaiser Karl und seinen Sohn König Wen-
zel schon in erwachsenem Alter zeigt, und daher nicht vor 1379