Tafelgemälde.
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auch das andere Flügelbild gestanden haben, welches jetzt in
sehr venvahrlostem Zustande in einer ehemaligen Nßbellkapellß
derselben Kirche bei Seite gestellt ist. Es hat als Mittelbild die
Kreuzigung, auf den Flügeln die Kreuztragung und die Kreuz-
abnahme, auf den Aussenseiten die zwei statuarisch gehaltenen
Figuren der Verkündigung und scheint von anderer Hand und
von einem alterthümlicheren Meister herzustammen. Zwar gleicht
die Farbenbehandlung in weicher Modellirung, in dem gelblichen
'l'one und den aufgesetzten weissen Lichtern der in jenem Blau-
kenberchschen Bilde, dagegen ist die Zeichnung steifer, häufig
mit der conventionellen Biegung der Körper und mit geraden
Parallelfalten. Indessen entschädigt für diesen Mangel der, be-
sonders in den männlichen Gestalten, ungeachtet kleiner Unbe-
holfenheiten tiefe und ergreifende Ausdruck. Vorzüglich ist in
dieser Beziehung die Kreuzabnahme; aber auch auf dem Haupt-
bilde ist die Gruppe des Hauptmanns, der, in rother enganliegen-
der Tunica mit goldnen Franzen und Gurt, die Rechte schwörend
erhoben hat, um das „Vere tilius dei erat istea des Spruchzettels
zu bekräftigen, mit dem schlanken Kriegsknecht in enganliegen-
dem Panzerhemde Wahrhaft grossartig gedacht. Geringer sind
dann die sechszehn kleinen alten Bilder, welche als Flügel des
modern hergestellten Schnitzaltars in S. Beinold in Dortmund die
acht Freuden der Jungfrau und die Passionsgeschichte des Herrn
darstellen. Doch auch hier wieder ist ein Beichthum an naiven
und neuen Motiven, der über den Werth der Zeichnung hinausgeht.
Diese wenigen Bilder, zu denen vielleicht noch einige
schwächere hinzukommen, sind alles was wir von westphälischer
Malerei besitzen. Es ist mehr als die meisten Provinzen Deutsch-
lands aufzählen können, und wenn diese Schule, wie es scheint,
sowohl an Fruchtbarkeit als an technischer Ausbildung weit
hinter der Kölnischen zurückgeblieben ist, so erklärt sich dies ab-
gesehen von anderen Umständen schon dadurch, dass es hier an
einer grosseu Metropole fehlte und die Künstler in einer ganzen
Reihe von Städten zweiten Ranges in Soesl, Dortmund, Bielefeld
und ohne Zweifel auch in den Bischofssitzen Münster, Osnabrück
und Paderborn zerstreut Waren.