Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

Tafelgemälde. 
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auch das andere Flügelbild gestanden haben, welches jetzt in 
sehr venvahrlostem Zustande in einer ehemaligen Nßbellkapellß 
derselben Kirche bei Seite gestellt ist. Es hat als Mittelbild die 
Kreuzigung, auf den Flügeln die Kreuztragung und die Kreuz- 
abnahme, auf den Aussenseiten die zwei statuarisch gehaltenen 
Figuren der Verkündigung und scheint von anderer Hand und 
von einem alterthümlicheren Meister herzustammen. Zwar gleicht 
die Farbenbehandlung in weicher Modellirung, in dem gelblichen 
'l'one und den aufgesetzten weissen Lichtern der in jenem Blau- 
kenberchschen Bilde, dagegen ist die Zeichnung steifer, häufig 
mit der conventionellen Biegung der Körper und mit geraden 
Parallelfalten. Indessen entschädigt für diesen Mangel der, be- 
sonders in den männlichen Gestalten, ungeachtet kleiner Unbe- 
holfenheiten tiefe und ergreifende Ausdruck. Vorzüglich ist in 
dieser Beziehung die Kreuzabnahme; aber auch auf dem Haupt- 
bilde ist die Gruppe des Hauptmanns, der, in rother enganliegen- 
der Tunica mit goldnen Franzen und Gurt, die Rechte schwörend 
erhoben hat, um das „Vere tilius dei erat istea des Spruchzettels 
zu bekräftigen, mit dem schlanken Kriegsknecht in enganliegen- 
dem Panzerhemde Wahrhaft grossartig gedacht. Geringer sind 
dann die sechszehn kleinen alten Bilder, welche als Flügel des 
modern hergestellten Schnitzaltars in S. Beinold in Dortmund die 
acht Freuden der Jungfrau und die Passionsgeschichte des Herrn 
darstellen. Doch auch hier wieder ist ein Beichthum an naiven 
und neuen Motiven, der über den Werth der Zeichnung hinausgeht. 
Diese wenigen Bilder, zu denen vielleicht noch einige 
schwächere hinzukommen, sind alles was wir von westphälischer 
Malerei besitzen. Es ist mehr als die meisten Provinzen Deutsch- 
lands aufzählen können, und wenn diese Schule, wie es scheint, 
sowohl an Fruchtbarkeit als an technischer Ausbildung weit 
hinter der Kölnischen zurückgeblieben ist, so erklärt sich dies ab- 
gesehen von anderen Umständen schon dadurch, dass es hier an 
einer grosseu Metropole fehlte und die Künstler in einer ganzen 
Reihe von Städten zweiten Ranges in Soesl, Dortmund, Bielefeld 
und ohne Zweifel auch in den Bischofssitzen Münster, Osnabrück 
und Paderborn zerstreut Waren.
	        
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