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YVestphälische
Schule.
der Lebensgrösse, die Haltung steifer und mehr statuarisch wie
in der Kölner Schule, die Gewandbehandlung aber sehr einlirch
und fliessend. "Etwas später scheinen zwei zusammengehörige
Weibliche Heilige, St. Dorothea und St. Ottilia, schlanke zier-
liche Gestalten mit mässiger Biegung und sparsamen langge-
zogenen Falten, aber mit dem rundlichen Oval des Gesichts, das
gegen 1400 in Köln aufkam. Bedeutender ist der gleichzeitige
Flügelaltar in St. Martin (der Neustädter Kirche) in Bielefeld.
Das Mittelbild giebt eine Paradiesesscene, wie wir sie in Köln
keimen gelernt haben, aber mit sehr reicher stattlicher Haltung;
Maria sitzt mit dem Kinde in breiter gothischer 'l'hronhalle, die
hinter ihr mit Maasssverkfenstern und Statuen aufsteigt, auf den
Seiten aber als niedrige Mauer fortlänft, über welche dahinter-
stehend die beiden Johannes und die beiden Apostelfürsten her-
übersehen; auf den Fialen Engelstatuen im Style der Zeit, ge-
bogen wie die Apostel des Kölner Domes, und auf der 'l'hron-
lehnekleine lebende Engel. Vorn im Grase sitzen zur Linken
vier weibliche, zur Rechten drei männliche Heilige, unter denen
St. Georg in silberner Rüstung. Die Gesichter haben hohe Stirn,
kleinen Mund, runde Augen, volle Wangen, an Nase und Kinn
weisse Lichter; Schultern und 'l'ai-lle sind schmal, die Kleider der
Frauen weit ausgeschnitten, das Haar hell und goldig. Das
nackte Christkind ist weich gemalt und nicht ohne Grazie, übri-
gens aber die Zeichnung noch sehr conventionell und die Körper-
kenutniss schwach, namentlich sind die Finger auffallend ver-
renkt. Indessen sind die Motive der Bewegungen anmuthig und
das Ganze hat völlig den Reiz ähnlicher Darstellungen der Kölner
Schule. Die Flügel enthalten auf zwölf kleinen Bildern in drei
Reihen die Geschichte der Maria und Christi von geringerer
Hand, die Handlungen mit möglichster Sparsamkeit der Figuren,
aber auch mit wenig Ausdruck und Leben, steif und ohne die
Schönheit der Linie, welche etwa der Meister des Clarenaltars
solchen Compositionen zu geben wusste. Das WVerk mag um
1400 entstanden sein
i] Die Jahreszahl MCCCC, welche Waagen (D. K. B1. 1850, S. 308] auf
dem Bilde bemerkt haben will, habe ich nicht gefunden; sie soll (wie Förster
im K. B1. 1847, S. 369 wahrscheinlich nach Krügers Mittheilungen angiebt)
auf einem nicht mehr vorhandenen Rahmen gestanden haben.