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Westphälische
Kunst.
von dort her kommenden Gesellen lieber in ihre Heimath zurück-
kehrten, als sich in Köln ansässig machten, und eben so wenig
können wir in Westphalen selbst eigene, von Kölnischem Ein-
tlusse unabhängige Leistungen aufzeigen, welche den Uebergang
von dem dortigen Style der vorigen Epoche zu dem jetzigen, fast
Kölnischen erklärten. Wandmalereien des vierzehnten Jahrhun-
derts sind, so viel ich weiss, gar nicht, und Miniaturen von un-
zweifelhaft Westphälischem Ursprnnge nur in sehr kleiner Zahl
auf uns gekommen. Am wichtigsten sind die in einem jetzt in
der Bibliothek des Carolinums in Osnabrück aufbewahrten so-
genannten Graduale aus dem Kloster Herzebroch, welches zufolge
einer darin eingeschriebenen, anscheinend nicht viel späteren
Notiz im Jahre 1300 von einer Nonne dieses Klosters, der ve-
nerabilis ac devota virgo Gisela geschrieben, illuminirt und mit
Noten versehen ist k). Die zahlreichen Bilder bestehen in leicht
colorirten Federzeichnungen, welche oft sehr sinnreich den Ini-
tialen eingefügt, mit Blattgold reich geschmückt und durch die
kindliche Frömmigkeit ihres Inhalts und die wahrhaft jungfräu-
liche Zartheit der Ausführung höchst anziehend, aber nicht eben
stylistisch eigenthümlich sind, da die geringen Spuren des neuen,
sich im vierzehnten Jahrhundert entwickelnden Geistes, die
Schlankheit und die etwas gebogene Linie der Gestalten mit dem
Weiblichen dilettantischen Charakter der Arbeit zusammenfallen,
und ein Ringen nach tieferem Seelenaustlrucke, etwa wie in dem
Prager Passional der Prinzessin Kunigunde, nicht wahrzunehmen
ist. Eine zweite aus Westphalen stammende Handschrift, die in
der öffentlichen Bibliothek zu Stuttgart bewahrte Weltchronik
des Rudolph von Hohenems, nach einer Inschrift im Jahre 1338
vollendet, zeigt in ihren zahlreichen, phantasievollen und naiven
Miniaturen eine Verwandtschaft mit der älteren Generation der
Kölnischen Schule, rundliche Köpfe, langgezogene Gewandlinien,
nannt, von dem wir erst bei der fünften Erwähnung erfahren, dass er nicht
aus der westphälischen Hauptstadt, sondern de Monasterio in Eiffele, aus
Münstereiffel, stammte.
b) Nähere Beschreibungen aller dieser westphälischen Werke bei Lübke
a. a. O; in den, übrigens von den seinigen nicht bedeutend abweichenden, Ur-
theilen folge ich eigener Anschaulmg.