Schule
Meister
Stephanas.
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Krone auf dem Haupte, unter ihrem von den ausgebreiteten Armgn
herabfallendcn grünen Mantel vier ihrer Jungfrauen schützend,
zu diesem Altare gehörte, lasse ich dahin gestellt. Die Gestalt
ist voll Hoheit und Anmuth, die Gesichtsbildung an der Heiligen
selbst schlank und edel, und an den Köpfchen der knienden
Jungfrauen höchst lieblich, der Fall des Gewandes vom schön-
sten Schwunge der Linie, durchaus noch mit Anklängen der
älteren Schule, überhaupt das Ganze einigermassen verwandt der
Jungfrau des Priesterseminars und in mehr idealer Richtung als
das Dombild. Die leicht gehaltene Farbe deutet darauf, dass es
ein Aussenflügel war, der gewöhnlich den Gesellen überlassen
wurde und so möglicherweise dies Mal in die Hand eines solchen
gekommen sein mag, in dem sich der Geist der neuen Zeit be-
stimmter und reiner gestaltete.
Von anderer Hand ist ein zweites grosses Altarwerk, einst
in der Kölner Kirche St. Laurentius, jetzt sehr zerstreut, indem
sich das Mittelbild mit einer Darstellungdes jüngsten Gerichtes
im Kölner Museum, zwölf Innenbilder der Flügel mit den Mar-
tyrien der Apostel im Städelschen Institut in Frankfurt am Main
und endlich zwei Tafeln mit je drei Heiligen in der Pinakothek
zu München (Cab. I, Nro. 10 und 14) vorfinden. Hier sind wir
bei einem Schüler oder Zeitgenossen Stephans, der, wenn er auch
in der Farbe und im Typischen gewisse Aehnlichkeiten mit ihm
hat, mit ganz anderen Begriffen verfuhr und an Schönheitsgefühl
ebensoweit unter ihm stand, als er ihn in Körperkenntniss und
vielleicht Phantasie übertraf Das jüngste Gericht giebt in noch
sehr symmetrischer Anordnung das Vorbild für die vielen Dar-
stellungen dieses Gegenstandes, die im Laufe des fünfzehnten
und sechszehnten Jahrhunderts in Deutschland und den Nieder-
landen ausgeführt wurden. Oben auf Goldgrund Christus als
W eltrichter auf dem Regenbogen thronend, rechts und links
Ü Wenn wir überrascht sind, dass Mosler und Passavant (1833) dieses
Werk dem Dombildlneister zuschreiben konnten, müssen wir sowohl die sehr
viel kleinere Zahl ihnen bekannter Bilder dieser Schule als den damaligen
Standpunkt der Kunstgeschichte in Anschlag bringen, welche weder von der
grossen Zahl der Maler noch von dem Wirken des Zeitgeistes hinlängliche
Anschauung hatte, und daher überall glaubte, nur wenige Persönlichkeiten vor
sich zu haben, auf welche alle Denkmäler bezogen werden müssten.