Die
deutschen
Mystiker.
Meister
Eckhardt.
schon bestimmter und malen die Zilstände der verzückten, über
sich hinaus geführten Seele deutlicher aus. Einen grossen Ein-
fluss auf weitere Kreise gewann diese Lehre damals nicht, aber
sie verlor sich auch nicht ganz, und fand im dreizehnten Jahr-
hundert bei den neugestifteteil Bettelorden Eingang und bald
auch weitere Verbreitung. Diese Bettelmönche, aus dem Volke
hervor-gehend und als seine beliebtesten Beichtvater und Prediger
mit seiner geistlichen Noth auf das Innigste vertraut, hatten auch
den grössesterl Trieb und Beruf, ihr abzuhelfen. Es kann nicht
auffallen, dass sie dabei alle ihre Kräfte in Anspruch nahmen
und also auch versuchten, diese Doetrin, für die sie begeistert
waren, ihren Beiehtkiutlern mitzutheilen; es muss aber höch-
Üßllst übeTYaSChßll, dass sie mit so tiefsinnigen Lehren wirklich
Iilülgang fanden. YVir sehen daran, dass damals durch die
Scllßlasüsi-"he Rifllillllg und durch die religiöse Noth unter dem
Volke eine Fähigkeit und Empfänglichkeit für höhere und ab-
stracte Gedanken entstanden war, die man heute auch unter den
Gebildeten nur selten antreffen dürfte. Zuerst mögen diese
Lehren unter den höheren Laienstäntlen Anhänger gefunden
haben jetzt aber trat ein Prediger auf, der sie in ihrer ganzen
Strenge und Tiefe öffentlich vorzutragen wagte. Meister Eck-
hardt, ein Sachse, aber, weil er in Paris studiert und gelehrt
hatte, auch wohl Meister Eckhardt von Paris genannt, War
1304 Provineial der Dominieaxier in Sachsen, dann Generalvicar
in Böhmen, lebte später aber in Köln, WO er als Lehrer und
Prediger mächtig wirkte und 1329 starb. In seinen Schriften
und Predigten wg), Welche in grosser Zahl auf uns gekommen,
ist er überaus kühn und abstraet; er hält sich nicht bei Einlei-
tungen auf, er Will nicht erst erwecken und Busse hervorrufen,
er setzt voraus, dass seine Zuhörer nach dem Höchsten streben,
und will ihnen nur den Wieg" Weisen. Die Geburt Christi in der
i] Wenigstens werden sie im dreizehnten Jahrhundert in einem deut-
rchen Gedichte; Das lieben Christus Büchlein, vorgetragen. Gervinus,
Gesch. der poet. Nat Lit. II, 121 (4. Ausg.)
M) Früher nur theilweise und ungenau gedruckt, sind sie vor Kurzem
in Pfeiüefs Deutschen Mystikern des vierzehnten Jahrhunderts, 2. Band,
1857, leider noch ohne die verhiessenen Erläuterungen dieses gründlichsten
Renners, erschienen. Vergl. auch Ritter-ß Gesch. d. Phil. VIH, 500.