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Kölner
Schule.
die anderen sind aber Landleute oder durch ihre Werkzeuge
deutlich bezeichnete Handwerker, die Verdammten bestehen da-
gegen durchweg aus vornehmen Personen, zierlichen Damen, ge-
krönten Häuptern, Rittern und Nonnen. In den Flügelbildern
endlich sieht man auf der einen Seite Abraham oder Christus,
denn er hat den Kreuznimbus, mit Seligen in seinem Schoosse,
nebst anbetenden weiblichen Heiligen, auf der anderen Satan
mit feurigen Fledermausflügeln, Hörnern und furchtbaren: Ant-
litz, in ähnlicher Weise Sünder im Schoosse haltend. Es ist also,
der Enge des Baumes entsprechend, ein höchst gedräugter Aus-
zug der Heilsgeschichte; alle Irlergänge sind in grösster Kürze,
mit wenigen Nebenpersonen vorgetragen. Und ebenso ist auch
die Ausführung leicht, fast skizzenhaft, aber doch deutlich und
eindringlich. Die Zeichnung trägt unverkennbar den Charakter
des vierzehnten "Jahrhunderts; die Neigung zu Weichen und an-
muthigen Motiven, welche sich in den VVerken vom Schlusse
der vorigen Epoche nur neben den noch beibehaltenen Ziigen des
älteren Styls und daher steifer und conventioneller geltend macht,
ist hier schon völlig ausgebildet. Das Ganze ist aus einem Gasse,
alle Linien sind flie-ssend, alle Schatten weich, die Gestalten
schlank fast überschlank, die Schultern schmal, während sie in
der vorigen Epoche eher breit gebildet wurden, die Körper bei
weicher Biegung noch ohne die alfectirte Grazie, vwelche sich
später einstellte, die Köpfe zu klein, Arme und Beine mager, die
Hände lang und spitz, die Gesichter in regelmässigem feinem
Oval, das Haar in conventionellen, auf beiden Seiten symmetrisch
fallenden Locken. Der Wurf der Gewänder verräth ohne genaue
Beachtung des Knochenbaues doch immer das Bewusstsein der
anzudeutenden Körperhaltung, überhaupt weiss der Maler umge-
achtet der zu allgemeinen und unbestimmten Formbildung seine
Gedanken sehr deutlich auszusprechen; die Iunigkeit der Fle-
henden und Anbetenden, die Würde des Weltrichters, die ritter-
liche Kraft des drachentödtenden Erzengels sind sehr wohl ge-
lungen. Er weiss auch dem Ernsten und Grossartigen Ausdruck
zu geben, aber seine Richtung geht doch mehr auf das Zarte und
Anmuthige. Wir werden nicht irren, wenn wir die Zeit seiner
Arbeit in die ersten Jahre des vierzehnten Jahrhunderts setzen.