Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

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Bliniaturmalerei. 
haben. Es blieb daher dem Talente fast nichts übrig, als die 
möglichst treue und anmuthige Darstellung der einzelnen Sinn- 
liehen Gegenstände, die auf dem Bilde vorkamen oder angebracht 
werden konnten. Dies war eine neue und zugleich, da ja über- 
haupt das Streben der Gesellschaft auf nähere Kenntniss ihrer 
selbst und ihrer Umgebungen gerichtet war, eine überaus dank- 
bare Aufgabe, der sich die Künstler mit steigendem Interesse 
unterzogen. Sie begannen damit, die edelen Stoffe und Kostbar- 
keiten, auf welche die vornehme Welt Werth legte, Goldbrokat, 
Edelsteine, Perlen, dann auch andere liebliche Gegenstände, etwa 
Blumen und Früchte, in möglichster Treue darzustellen, bekannte 
Localitäten und Gebäude anzudeuten, den Zimmern den Charakter 
häuslicher Behaglichkeit zu geben, dann auch an den Gestalten 
gefällige Lebendigkeit und sinnliche Anmuth, sogar an dem an- 
betenden Stifter des Buches eine grössere Portraitähnlichkeit her- 
vorzubringen, und waren am Schlusse der Epoche so weit ge- 
langt, wirkliche Bilder mit landschaftlichen Hintergründen aus- 
zuführen, wobei dcnn überall die Kleinheit der Dimensionen das 
Wagniss erleichterte. Die Miniaturmalerei hatte dadurch ihren 
Culminationspunkt erreicht und es entstanden Bilder von einer 
Feinheit des Geschmacks und der Durchführung, wie sie nur in 
einigen Miniatur-werken der Eyckischen Schule, dann aber auch 
niemals Wieder übertroffen sind. War man nun auch vom blossen 
Luxus ausgegangen, so machte man doch die Erfahrung, dass die 
Vertiefung in den Glanz und in die Vollkraft der Natur auch 
einen poetischen und geistigen Virerth habe, dass sie jedenfalls 
eine Erweiterung der Kunst gäbe. Da die Tafelmalerei, wenn 
auch in anderer Beziehung fortgeschritten, in dieser unleugbar 
zurückstand, so war die Aufgabe der Zukunft offenbar, die Vor- 
züge beider Kunstgattungen zu verbinden. Schon am Schlusse 
der Epoche können wir einzelne Tafelbilder aufzeigen, welche 
den Miniaturen nachstreben, indem sie eine feinere Harmonie und 
grösseren natürlichen Liebreiz zu erlangen suchen und ihren Bil- 
dern auch ungeachtet des goldenen Himmels einen Hintergrund 
von Bergen mit Gebäuden oder Bäumen geben. Allein es zeigte 
sich, dass dies ziemlich unbeholfen ausfiel und mit der statuari- 
scheu Haltung der einzelnen Gestalten, ja selbst mit der Technik
	        
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