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Miniaturmalerei.
eines fruchtbaren, erfinderischen Talentes, obgleich es auch bei
einem solchen nicht ausbleiben konnte, dass sich für die stereotyp
wiederkehrenden Aeusserungen ritterlicher Gewandtheit, Höflich-
keit, Courtoisie auch wiederkehrende leicht hingeworfene und
conventionelle Federzüge ausbildeten. Indessen nöthigte doch die
Beziehung auf mannigfache I-Iergänge, Verhältnisse und Loca-
litäten, wie sie in diesen Büchern und besonders in den Reise-
beschreibungen vorkamen, zu einem tieferen Eingehen auf psy-
chologische Motive und auf die Mannigfaltigkeit der Dinge. Wir
bemerken daher ein freilich langsames Steigen der Naturwahr-
heit. Die Körperbildung bei Menschen und Thieren bleibt zwar
im Wesentlichen dieselbe, Bäume behalten die typische Form
und die Hintergründe sind tapetenartig oder einfarbig; aber an
naiven Zügen des Ausdrucks, an Andeutungen von allerlei Zu"
fälligkeiten der Waffen, Möbeln, Stoffe ist kein Mangel, Zimmer
und Gebäude zeigen Versuche perspectivischer Zeichnung, bei
I-lergängen im Freien werden zur Verdeutlichung der Situation
Berge, Bäume, Häuser, zuweilen auch Wölkchen oder die Ab-
stufungen des Lichtes am Himmel hinzugefügt, aber auch dies
nur als Hülfsmittel für die Phantasie, nicht mit dem Anspruch
auf Naturwahrheit, so dass der Maler, wenn er etwa mit blauen
und rothen Hintergründen wechselt, keinesweges jenen Himmels-
erscheinungen zu Liebe von seiner Ordnung abweicht, sondern
sie ganz harmlos auf dem rothen Grunde, wenn denselben die
Reihe trifft, anbringt. Der Naturalismus ist überhaupt hier noch
ein sehr bedingter; allgemeine Schönheitsregeln, die Weichheit
und gefällige Verschmelzung der Farbe, Synnnetrie und Ab-
wechselung sind maassgebend, Luid die Andeutungen gewisser
natürlicher Erscheinungen treten auf dieser Grundlage nur gleich-
sam spielend hervor und erregen die Phantasie vielleicht um so
mehr, weil sie nicht als Bestandtheile eines durchgeführten Na-
turbildes erscheinen.
Anders gestaltete es sich bei den Andachtsbüchern. Bei
den wohlbekannten Hergängen der heiligen Geschichte galt es
nur, die Erinnerung zu erregen und den heiligen Gestalten durch
gediegene Ausführung und möglichst prachtvolle Ausstattung
einen Nimbus zu verleihen. Die Kunst diente hier mehr einem