Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

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Einleitung. 
der bisherige, weil er nicht mit kindlicher Gläubigkcit zusam- 
menhing und nicht unter der vorsichtigen Controlle der Kirchß 
stand, sondern sich in das Gewand tiefer Gelehrsamkeit hüllte 
und mit Anmaassung auftrat. 
Immer mehr gingen Kirche und Wissenschaft auseinander_ 
Die Kirche selbst hatte den Anfang gemacht; noch während die 
Scholastik ihr nur zu dienen bestrebt war, zog sie sich von dem 
 geistigen Gebiete zurück, um sich auf äussere Autorität zu 
stützen. Medicin und weltliches Recht hatte sie ihren Dienem 
 schon längst untersagt, und unter den Seholastikern finden wir 
selten Priester, meist nur Laienbrüder. Seit den Albigenser- 
kriegen wurde auch das Bibellesen beschränkt und die Anwen- 
dung gewaltsamer Mittel zur Unterdrückung der Ketzereieil sy- 
stematisch betrieben. Damit hörte das Interesse höherer Studien 
Hir die Geistlichkeit auf, sie machte nicht mehr auf geistiges 
Uebergewicht, sondern nur auf äusseres Ansehen Anspruch, sie 
war vermöge ihrer ausgedehnten Immunitäten ein bevorzugter 
Stand neben anderen Privilegirten. Und wie die Rechte wurden 
dann auch die Pflichten äusserlieh aufgefasst, die Theologie 
wurde Gedächtnisssache , der Gottesdienst, bis ins Kleinste be- 
stimmt und mit Ceremonien überladen, eine Sache mechanischer 
Uebung. Während aber so die Kirche in ihrer Verweltlichung 
fortschritt, war aus inneren Gründen durch die nothwendige 
Entwickelung des Gedankens die Scholastik immer weiter von 
der Kirchenlehre auf das Gebiet allgemeiner Abstraction überge- 
gangen, und zuletzt durch das Aufgeben tieferer Ergründung der 
Offenbarung ganz auf weltliches Gebiet gedrängt. Beide hatten 
sich also nach verschiedenen Seiten von einander entfernt, und 
statt der ursprünglichen Einheit zeigte sich jetzt der Gegensatz. 
Die Kirche versuchte auch hier mit Gewalt einzuschreiten, übte 
eine Art von Censur über die Lehrvorträge  brachte aber ge- 
rade dadurch die Wissenschaft in eine Opposition, so dass sie 
nun bald überall ihre Stimmen erhob, um die Anmaassungen der 
Kirche zurückzuweisen und ihre Reform in Haupt und Gliedern 
zu verlangen. 
 1339 wird in Paris verboten, über Occams Lehrbücher zu lesen. 
Tennemann, Gesch. der Phil. VIII, 938.
	        
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