Ihre
Aufgaben.
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dem Geistlichen Geziemendes zurückgewiesen hatten, wo alle
prosaische Literatur lateinisch und die Poesie mehr zu münd-
lichem Vortrage als zu stillem Lesen bestimmt war, liegt jetzt
schon weit hinter uns. Ritt-erliche Schriftsteller, welche die Zeit-
begebenheiten mit so gesundem Urtheile einfach vorzutragen
wussten, wie in der vorigen Epoche Villehardouin und Joinville,
waren zwar jetzt eher seltener, und einzelne Helden, welche ihren
Namen nicht schreiben konnten, kamen auch jetzt noch vor; aber
eine gewisse mittlere Bildung war mehr verbreitet, und schon die
Menge und der grosse Umfang der vielen prosaischen und poe-
tischen Werke in der Nationalsprache, Welche jetzt geschrieben
wurden, beweist einen ausgedehnten Kreis eifriger Leser. Ohne
Zweifel gingen die ritterlichen Damen in der Einsamkeit ihres
Burglebens den Männern auch jetzt wie früher mit gutem Bei-
spiele voran, was um so wirksamer sein musste, als sie jetzt
mehr wie je tonangebend waren und die Romane geradezu als
empfehlenswerthe Lehrbücher feiner Lebensart betrachteten. Man
fing daher an, in den ritterlichen Schlössern neben der Bibel und
den Andachtsbüchern auch den Besitz mehrerer solcher neuen
Werke zu begehren und bald gab es, Wenigstens in Frankreich,
einzelne solcher Burgen, welche Wirklich eine nach damaligen
Preisen kostbare Bibliothek besassenk). Gerade für diese Klasse
von Lesern und bei ihrer Unfähigkeit, sich lange mit den todten
Buchstaben zu beschäftigen, bedurften aber die Manuscripte noth-
wendig der Miniaturen. Die vermehrte Nachfrage bewirkte dann,
dass die Anfertigung solcher Bücher von städtischen Arbeitern,
mit denen die Klöster selten noch concirrrirten, fast fabrikmässig
mit mögliehstei- Theilung der Arbeit betrieben wurde. Es be-
standen, wie wir aus Urkunden ersehen, drei verschiedene Ge-
werbe, welche dabei mitwirkten, das der Scriptoren, welche
blos den Text fortlaufend und ohne Zweifel ungeachtet der
Im Schlosse 1a Fette im Departement der unteren Seine, einem blos
ritterbürtigen Geschlechte gehörig, befand sich um 1384 eine Bibliothek von
wenigstens 46 Büchern, wie dies das als Deckel eines Rechnungsbuches des
genannten Jahres benutzte Fragment des Kataloges ergiebt, welcher sogar eine
Notiz über das Verleihen einzelner Bücher enthält und also beweist, dass sie
kein todter Schatz waren. Biblioth. de l'6c01e des Chartes, Serie III, t. 3, p. 559.