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Tafe
malerei.
Weder die geistlichen XVürdenträger noch die Fürsten so willig
zu den grossen Beiträgen, welche diese Werke, oder welche die
goldenen und silbernen Aufsätze forderten, mit denen man die
Altäre zu schmücken pflegte. Der Eifer zu frommen Stiftungen
War dagegen mehr an die mittleren Stände gelangt, die das
minder kostbare, in der VVerkstatt des städtischen Meisters in
kurzer Zeit vollendete 'l'afelbild vorzogen. Auch die Frömmig-
keit war cine andere geworden, sie war persönlicher, verlangte
nach bestimmten Beziehungen zu bestimmten heiligen Gestalten.
Die epische Ruhe der Wandmalerei genügte ihr nicht mehr, sie
brauchte eine Technik, welche den lyrischen Ausdruck himmli.
scher Barmherzigkeit und menschlicher Inbrunst tiefer, eindring-
licher wiederzugeben wusste. Diese Technik hatte sich aber in
den Werkstätten der bürgerlichen Handwerker durch ihren aus-
dauernden Fleiss und ihr sinniges Wesen gebildet, und wurde als
das Neue und Zeitgemässe von ihnen mit Eifer gepflegt und
durch den Austausch von Handgriffen und Kunstmitteln anhal-
tend gefördert. Während in den Klöstern dieselben Regeln ruhig
von einer Generation auf die andere übergegangen waren, und
sich Jahrhunderte lang erhielten, erkennen wir jetzt ein eifrigen
Forschen und Versuchen. Es kam besonders darauf an, gute
FarbestoHe und ein Bindemittel zu finden, welches dem Maler
gestattete, durch wiederholtes Uebergehen die gründlichere Mo-
dellirung, weichere Schattirung und den tieferen Gefühlsausdruck
zu erlangen, Welche der jetzige Geschmack forderte. Man
vrürlschte die Bilder möglichst glänzend, theils in Erinnerung an
den Metallglanz des früheren Altarschmuckes, theils wegen der
Nachbarschaft der Glasgemälde, theils weil dieser Glanz der
heiligen Gestalten würdig, ein Symbol und Zeichen ihrer himm-
lischen Glorie schien. Man malte daher auf Gold grund und
bedurfte, um d agegen aufzukommen, kräftig dunkeler, aber auch
lebendig leuchtender Farben. Man würde sich dazu des Oeles
bedient haben, das man zu deeorativen Malereien und zum Au-
streichen von steinernen Statuen häufig verwendete und das daher
in noch erhaltenen Rechnungen über die malerische Ausstattung
der Paläste in grossen Quantitäten vorkommt; aber man kannte
nur dickflüssige, schwer trocknende Oele, welche für feinere