Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

Scholastik. 
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losen, aus der biblischen und antiken Geschichte, aus der My- 
thologie und selbst aus Volkssagen entlehnten Beispielen bewies, 
dass der auf Befehl des Herzogs von Burgund an dem Herzoge 
von Orleans verübte Meuchelmord kein Verbrechen, sondern als 
Tyrannenmord Pflicht und edle That gewesen. Man wird viel- 
leicht kein zweites Beispiel so auffallender Frechheit anführen 
können, aber in minder greller und deshalb noch gefährlicherer 
Sophistik kam Aehuliches oft vor, und jedenfalls musste diese 
immer wiederkehrende Mischung des Halbwahren mit dem 
Richtigen den Sinn für Wahrheit schwächen. Die logische 
Form und der gelehrte Schein der Citate dienten nur dazu, den 
Mangel an materiellen Kenntnissen zu verbergen und überlie- 
ferten lffthümßfll Bestätigung zu verleihen. Am Nachtheiligsten 
zeigte sich dies auf dem Gebiete der Naturwissenschaften. Alle 
die vereinzelten Nachrichten, welche man bei den Alten oder bei 
den Kirchenvätern fand oder zu finden glaubte, oder die aus ara- 
bischen Quellen und aus unsicheren Reiseberichten in Umlauf 
gekommen Waren, Wurden mit Begierde ergriffen und weiteren 
Schlüssen zum Grunde gelegt. Die grossen Meister des drei- 
zehnten Jahrhunderts, Roger Baco und Albertus magnus, hatten 
das Bedürfniss eigener Beobachtung und objectiver Erkenntniss 
der Natur schon vollständig empfunden und dazu Beispiel und 
Anleitung gegeben; die jetzt entstehende Physik und Medicin 
verliess diesen kaum betretenen Weg sofort, und hielt sich aus- 
schliesslich an die wohl oder übel verstandenen Autoritäten. 
Man hatte nur Sinn für das Einzelne, ahnete wohl etwas von 
dem grossen Geheimniss der Natur, aber nur, um davon ein- 
zelne, Wo möglich Wunderbare Erfolge zu fordern. Die Wis- 
senschaft kam dadurch mehr und mehr in die Hände roher und 
eigennütziger Empiriker, welche der Leiehtgläubigkeit huldigten 
oder sie benutzten. Die Menge angeblicher Geheimmittel wuchs, 
ärztliche Charlatanerie  Astrologie und Zauberwesen blüheten, 
und es entstand ein neuer Aberglaube, der schlimmer war als 
3') Besonders Petrarca ist unermüdlich in seinen Angriffen auf die 
Aerzte seiner Zeit. Er hat ein eigenes Buch gegen sie geschrieben und 
liebt auch sonst Züge ihrer Unwissenheit, Wichtigthuerei und Habsucht, 
des Prnnkes, mit dem sie auftraten n. s. w. anzulühren.
	        
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