Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

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Plastik. 
sich ihr zuwandte und sich bis in das sechszehnte Jahrhundert 
steigend erhielt. Ungeachtet ihrer engen Verwandtschaft mit den 
beiden Schwesterkünsten finden wir sie indessen nicht völlig im 
Anschlüsse an dieselbe; ihre frühesten und ausgezeichnetsten 
Leistungen kommen vielmehr im nördlichenDeutschland und zwar 
in den Ländern des Ziegelbaues vor, wo Steinplastik fast gar 
nicht geübt wurde und die Malerei Wenigstens keine Schule bil- 
dete, während in den Ländern, WO die Steinsculptur geblühet 
hatte, die Malerei selbstständig und mit geringer Verwendung 
plastischen Beiwerks auftrat. Allein später verbreitete sich jene 
Vorliebe über ganz Deutschland, freilich zum Theil erst in einer 
Zeit, wo diese Plastik, von der realistisch gewordenen Malerei 
fortgerissen, in den Altarschreinen grosse, ligurenreiche, vertiefte 
Compositionen mit landschaftlichen und humoristischen Motiven 
darzustellen versuchte, und darüber in äusserste Styllosigkeit 
verfiel. In der gegenwärtigen Epoche aber, wo die Malerei selbst 
noch eine statuarische Haltung beobachtete und die plastische 
Ausführung ihrer schüchternen Zeichnung Kraft und Bestimmt- 
heit verlieh, entstanden grade durch diese Verbindung Werke 
von grosser idealer Schönheit, die oft den besten Gemälden 
würdig zur Seite stehen. 
Unter den einzelnen Aufgaben der Sculptur verdienen die 
Grabsteine als eine besonders häufige und für die Stylent- 
wickelung wichtige Gattung eine nähere Erwähnung. Grosse 
Mannigfaltigkeit war dem Bildner dabei nicht gestattet, die Sitte 
forderte vielmehr gewöhnlich, dass der Verstorbene in ruhiger 
Haltung und zwar, je nachdem die Platte auf der Erde oder auf 
einem Postamente liegen oder in der WVand eingemauert werden 
sollte, liegend oder stehend dargestellt werde, im ersten häufigeren 
Falle das Haupt auf Kissen und die Füsse auf 'l'l1ieren ruhend, 
immer aber völlig in derVorderansicht, und (wenigstens auf dem 
Continent) mit parallel ausgestreckten Beinen, ganz bekleidet, 
mit geöffneten Augen, aber mit keinem anderen Ausdrucke als 
dem frommer Ergebung. Nur in der Haltung der Arme finden 
sich charakteristische Veränderungen, Bischöfe und Aebte tragen 
gewöhnlich in einer der beiden Hände den Elirtenstab, das Zeichen 
ihrer Würde, während die andere entweder segnend erhoben ist
	        
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