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Plastik.
sich ihr zuwandte und sich bis in das sechszehnte Jahrhundert
steigend erhielt. Ungeachtet ihrer engen Verwandtschaft mit den
beiden Schwesterkünsten finden wir sie indessen nicht völlig im
Anschlüsse an dieselbe; ihre frühesten und ausgezeichnetsten
Leistungen kommen vielmehr im nördlichenDeutschland und zwar
in den Ländern des Ziegelbaues vor, wo Steinplastik fast gar
nicht geübt wurde und die Malerei Wenigstens keine Schule bil-
dete, während in den Ländern, WO die Steinsculptur geblühet
hatte, die Malerei selbstständig und mit geringer Verwendung
plastischen Beiwerks auftrat. Allein später verbreitete sich jene
Vorliebe über ganz Deutschland, freilich zum Theil erst in einer
Zeit, wo diese Plastik, von der realistisch gewordenen Malerei
fortgerissen, in den Altarschreinen grosse, ligurenreiche, vertiefte
Compositionen mit landschaftlichen und humoristischen Motiven
darzustellen versuchte, und darüber in äusserste Styllosigkeit
verfiel. In der gegenwärtigen Epoche aber, wo die Malerei selbst
noch eine statuarische Haltung beobachtete und die plastische
Ausführung ihrer schüchternen Zeichnung Kraft und Bestimmt-
heit verlieh, entstanden grade durch diese Verbindung Werke
von grosser idealer Schönheit, die oft den besten Gemälden
würdig zur Seite stehen.
Unter den einzelnen Aufgaben der Sculptur verdienen die
Grabsteine als eine besonders häufige und für die Stylent-
wickelung wichtige Gattung eine nähere Erwähnung. Grosse
Mannigfaltigkeit war dem Bildner dabei nicht gestattet, die Sitte
forderte vielmehr gewöhnlich, dass der Verstorbene in ruhiger
Haltung und zwar, je nachdem die Platte auf der Erde oder auf
einem Postamente liegen oder in der WVand eingemauert werden
sollte, liegend oder stehend dargestellt werde, im ersten häufigeren
Falle das Haupt auf Kissen und die Füsse auf 'l'l1ieren ruhend,
immer aber völlig in derVorderansicht, und (wenigstens auf dem
Continent) mit parallel ausgestreckten Beinen, ganz bekleidet,
mit geöffneten Augen, aber mit keinem anderen Ausdrucke als
dem frommer Ergebung. Nur in der Haltung der Arme finden
sich charakteristische Veränderungen, Bischöfe und Aebte tragen
gewöhnlich in einer der beiden Hände den Elirtenstab, das Zeichen
ihrer Würde, während die andere entweder segnend erhoben ist