Holzsculptur.
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kleineren Gestalten und Reliefs weltlichen oder doch minder ern-
sten Inhalts die Fortschritte der neuen Zeit, das frische Natur-
gefühl, die weiche freundliche Stimmung sich oft recht anmuthig
und anziehend äussern. Dies gilt zunächst von den Elfenbein-
arbeiten, deren zartes Material und saubere sorgfältige Technik
sie dazu eignete, dann aber mit einer mehr populären und kräfti-
gen YVii-kung bei der jetzt erst recht in Aufnahme kommenden
Holzsculptur. In romanischer Zeit hatte man dies wohlfeile
und leicht zu bearbeitende Material häufig zu grösseren Sculp-
turen angewendet; hölzerne Darstellungen des Gekreuzigten in
kolossaler Grösse und von strengem Charakter haben sich noch
ziemlich oft erhalten. Da man im Innern der Kirchen alle Sculptu-
ren bemalte, kam es auf das Material nicht an. ln der Blüthezeit
des gothischcn Styls hörte dies auf; ohne Zweifel weil die Stein-
metzen geübte und rasche Bildner waren, während die Holz-
sculptur zum Gewerbe der 'l'atelmaler gehörteät), das damals
noch auf einer sehr niedrigen Stufe stand. ln der gegenwärtigen
Epoche änderte sich dies. Die zünftigen Malermeister wurden zu
bedeutenden Künstlern und ihre Altarwerke prangten neben den
Gemälden auch mit Statuen, welche dem Geschmacke der Zeit-
genossen mehr zusagten, wie die der Steinmetzen. Die technische
Behandlung der Schnitzwerke hing aufs Engste mit der Malerei
zusammen; wie die Bildtafeln wurden auch sie, ehe man Farbe
und Vergoldung auftrug, mit Gyps überzogen; sie nahmen also
an allen Fortschritten der Malerei Theil und leuchteten in einer
Farbentiefe, welche die matte und allgemeinere Färbung der
Steinbilder weit übertraf. Noch wichtiger War aber, dass der-
selbe Gypsüberzug auch eine höhere plastische Vollendung gab.
Schon das Holz an sich war ein viel fügsamerer Stoff wie der
spröde Stein, konnte nun der Bildner vermöge des noch bildsa-
meren Gypses die wenigen Härten, welche unter dem Messer
des Schnitzers stehen geblieben waren, ausgleichen, und endlich
diesen weichen Formen noch durch Farbe zu Hülfe kommen, so
war eine 'l'echnik entstanden, welche die Stimmungen, die man
jetzt liebte , eindringlicher aussprechen konnte, als irgend eine
andere. Es ist daher begreiflich, dass die Gunst des Zeitalters
"Ü Vergl. Band V, S. 682.