Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

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genügen und so dem erwachenden Kunstsinne die ihm ilöthige 
Nahrung zu verschaffen, und wurde für die Kunst selbst eine 
Schule technischer Durchbildung und Gründlichkeit, gegen welche 
sowohl die vorhergehende mönchische Praxis als die Technik 
mancher späteren Zeiten fast dilettantisch erscheint, und ohne 
welche die nachherige freiere Kunst schwerlich entstehen konnte. 
Dem wahren Talente War der Zunftzwang ohnehin nicht hinder- 
lich, sondern lehrte es vielmehr seine Kräfte üben und brauchen, 
und gab ihm dabei eine liebenswürdige Bescheidenheit, die vor 
willkürlicher Ueberhebung schützte und zu treuer Hingabe an 
die höheren Richtungen der Zeit führte. Auch blieb ihr Ver- 
dienst nicht unbemerkt; Kritik und Geschmack wuchsen und man 
begann unter den Handwerkern die Künstler zu erkennen und 
vorzuziehen. Fürsten bekleideten sie mit Hofdiensten, die Städte 
erwählten sie zu Ehrenämtern, und die Chronisten ahneten etwas 
davon, dass die Kunst ein Factor der sittlichen Entwickelung sei; 
sie fingen an, von der Existenz bedeutender Meister und der 
Stiftung ausgezeichneter Werke Notiz zu nehmen. Die Kunst 
war also ein nicht blos blühendes und einträgliches, sondern 
auch angesehenes, aber immer doch ein zünftiges Gewerbe, und 
ihre Werke tragen mehr oder weniger, im guten oder im bösen 
Sinne, das Gepräge dieses Ursprunges. 
Ohne Zweifel steht jene geometrische Regelmässigkeit und 
typische Gleichförmigkeit, von der wir vorher sprachen, mit 
diesem handwerksmässigen Betriebe in einem inneren Zusam- 
menhange; für die Unterweisung der Lehrlinge und für die Ge- 
meinschaftlichkeit der Arbeit in den Werkstätten bedurfte man 
einer festeren Regel, als individuelles künstlerisches Gefühl gab. 
Auch gewährte diese den schwächeren Meistern einen Anhalt, 
der sie vor groben Verirrungen bewahrte. Allein sie hatte auch 
einen tieferen Grund; sie bildete eine nothwendige Bedingung 
der Kunst auf ihrem jetzigen Standpunkte und wurde für die be- 
gabteren Meister theils eine nützliche äussere Schranke, theils 
geradezu ein Mittel des Ausdruckes. Die noch unbestimmten, 
suchenden und ahnenden Regungen des erwachenden Gefühls 
bedurften zu ihrer künstlerischen Aeusserung des Gegensatzes 
einer fest ausgeprägten, wiederkehrenden Form, und die Be- 

	        
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