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genügen und so dem erwachenden Kunstsinne die ihm ilöthige
Nahrung zu verschaffen, und wurde für die Kunst selbst eine
Schule technischer Durchbildung und Gründlichkeit, gegen welche
sowohl die vorhergehende mönchische Praxis als die Technik
mancher späteren Zeiten fast dilettantisch erscheint, und ohne
welche die nachherige freiere Kunst schwerlich entstehen konnte.
Dem wahren Talente War der Zunftzwang ohnehin nicht hinder-
lich, sondern lehrte es vielmehr seine Kräfte üben und brauchen,
und gab ihm dabei eine liebenswürdige Bescheidenheit, die vor
willkürlicher Ueberhebung schützte und zu treuer Hingabe an
die höheren Richtungen der Zeit führte. Auch blieb ihr Ver-
dienst nicht unbemerkt; Kritik und Geschmack wuchsen und man
begann unter den Handwerkern die Künstler zu erkennen und
vorzuziehen. Fürsten bekleideten sie mit Hofdiensten, die Städte
erwählten sie zu Ehrenämtern, und die Chronisten ahneten etwas
davon, dass die Kunst ein Factor der sittlichen Entwickelung sei;
sie fingen an, von der Existenz bedeutender Meister und der
Stiftung ausgezeichneter Werke Notiz zu nehmen. Die Kunst
war also ein nicht blos blühendes und einträgliches, sondern
auch angesehenes, aber immer doch ein zünftiges Gewerbe, und
ihre Werke tragen mehr oder weniger, im guten oder im bösen
Sinne, das Gepräge dieses Ursprunges.
Ohne Zweifel steht jene geometrische Regelmässigkeit und
typische Gleichförmigkeit, von der wir vorher sprachen, mit
diesem handwerksmässigen Betriebe in einem inneren Zusam-
menhange; für die Unterweisung der Lehrlinge und für die Ge-
meinschaftlichkeit der Arbeit in den Werkstätten bedurfte man
einer festeren Regel, als individuelles künstlerisches Gefühl gab.
Auch gewährte diese den schwächeren Meistern einen Anhalt,
der sie vor groben Verirrungen bewahrte. Allein sie hatte auch
einen tieferen Grund; sie bildete eine nothwendige Bedingung
der Kunst auf ihrem jetzigen Standpunkte und wurde für die be-
gabteren Meister theils eine nützliche äussere Schranke, theils
geradezu ein Mittel des Ausdruckes. Die noch unbestimmten,
suchenden und ahnenden Regungen des erwachenden Gefühls
bedurften zu ihrer künstlerischen Aeusserung des Gegensatzes
einer fest ausgeprägten, wiederkehrenden Form, und die Be-