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Deutsche
Gothik.
Juwel in diesem Kranze architektonischer Zierden ist der be-
rühmte Conventsrelnter, durch Abbildungen allgemein be-
kannt, ein länglicher Saal von bedeutenden Verhältnissen, durch
hohe spitzbogige Fenster beleuchtet, in welchem drei schlanke
Granitsäulen mit Kapitälen von edelster Bildung ein Palmgewölbe
tragen, das an Leichtigkeit und Eleganz alles übertrifft, was die
gothische Baukunst aller Länder in ihren schönsten VVerken ge_
leistet hat. Von den zarten Pfeilern im kühnen Schwunge auf-
steigend und beim Durchblicke von verschiedenen Standpunkten
die mannigfaltigsten Durchschneidnngeu gewährend, trägt dies
Gewölbe den Charakter ritterlicher Gewandtheit und Eleganz
und zugleich den der Strenge und Einfachheit, ohne jede Spur
des Ueppigen und Weichlichen. WVahrscheinlich stammt dieser
Saal ebenfalls aus der Zeit des Dietrich von Altenburg, während
die daran angebaute Wohnung des Hochmeisters etwas später,
obgleich, da sie in den noch vorhandenen von 1399 beginnenden
genauen Rechnungen des hochmeisterlichen Schatzes nicht vor-
kommt, noch vor diesem Jahre, also Wahrscheinlich unter Win-
rich von Kniprode (1351-1382) gebaut sein wird. Sie hat nicht
mehr völlig die Poesie der Formen wie der Conventssaal, alle
Fenster sind viereckig und durch Fensterkreuze getheilt, die Ge_
wölbe meist aus flachen Kreisbogen gebildet, die Kapitale
schmucklos oder ganz fortgeblieben, so dass die Rippen am
Schafte der Säulen verlaufen. Die weltlich bequeme Richtung
macht sich hier frühe gegen den Spiritualismns der gothischen
Form geltend. Aber dessenungeachtet ist das Ganze eine Wohl
überdachte, alle Rücksichten des Anstandes und der Bequemlich-
keit beobachtende, fürstlich prachtvolle Anlage. Ueber den hohen
und hellbeleuchteten Kellerräumen erheben sich drei Geschosse
mit Wohngemächern und Sälen, alle von Kreuzgewölben ge-
deckt, meist quadratisch, mit einer schlanken monolithen Säule in
ihrer Mitte, aber bei dieser Einförmigkeit der Anlage von einer
bewundernswertherl Mannigfaltigkeit. Denn von den Kellern und
Vorrathsräumen an, wo die mächtigen, steil ansteigenden Rippen
von niedrigen Pfeilern nahe über dem Boden anheben, bezeichnen
immer schlankere Stützen und leichtere Wölbnngen, bald kühner
und schwunghafter, bald flacher und wohnlicher, die verschie-