Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

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Deutsche 
Gothik. 
Juwel in diesem Kranze architektonischer Zierden ist der be- 
rühmte Conventsrelnter, durch Abbildungen allgemein be- 
kannt, ein länglicher Saal von bedeutenden Verhältnissen, durch 
hohe spitzbogige Fenster beleuchtet, in welchem drei schlanke 
Granitsäulen mit Kapitälen von edelster Bildung ein Palmgewölbe 
tragen, das an Leichtigkeit und Eleganz alles übertrifft, was die 
gothische Baukunst aller Länder in ihren schönsten VVerken ge_ 
leistet hat. Von den zarten Pfeilern im kühnen Schwunge auf- 
steigend und beim Durchblicke von verschiedenen Standpunkten 
die mannigfaltigsten Durchschneidnngeu gewährend, trägt dies 
Gewölbe den Charakter ritterlicher Gewandtheit und Eleganz 
und zugleich den der Strenge und Einfachheit, ohne jede Spur 
des Ueppigen und Weichlichen. WVahrscheinlich stammt dieser 
Saal ebenfalls aus der Zeit des Dietrich von Altenburg, während 
die daran angebaute Wohnung des Hochmeisters etwas später, 
obgleich, da sie in den noch vorhandenen von 1399 beginnenden 
genauen Rechnungen des hochmeisterlichen Schatzes nicht vor- 
kommt, noch vor diesem Jahre, also Wahrscheinlich unter Win- 
rich von Kniprode (1351-1382) gebaut sein wird. Sie hat nicht 
mehr völlig die Poesie der Formen wie der Conventssaal, alle 
Fenster sind viereckig und durch Fensterkreuze getheilt, die Ge_ 
wölbe meist aus flachen Kreisbogen gebildet, die Kapitale 
schmucklos oder ganz fortgeblieben, so dass die Rippen am 
Schafte der Säulen verlaufen. Die weltlich bequeme Richtung 
macht sich hier frühe gegen den Spiritualismns der gothischen 
Form geltend. Aber dessenungeachtet ist das Ganze eine Wohl 
überdachte, alle Rücksichten des Anstandes und der Bequemlich- 
keit beobachtende, fürstlich prachtvolle Anlage. Ueber den hohen 
und hellbeleuchteten Kellerräumen erheben sich drei Geschosse 
mit Wohngemächern und Sälen, alle von Kreuzgewölben ge- 
deckt, meist quadratisch, mit einer schlanken monolithen Säule in 
ihrer Mitte, aber bei dieser Einförmigkeit der Anlage von einer 
bewundernswertherl Mannigfaltigkeit. Denn von den Kellern und 
Vorrathsräumen an, wo die mächtigen, steil ansteigenden Rippen 
von niedrigen Pfeilern nahe über dem Boden anheben, bezeichnen 
immer schlankere Stützen und leichtere Wölbnngen, bald kühner 
und schwunghafter, bald flacher und wohnlicher, die verschie-
	        
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