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Deutsche
Gothik.
chen und nur im Schlosse zu Lochstedt ist ein einigermassen
ähnliches, ebenfalls in die Kapelle führendes Thor. Die Kapelle
selbst, die bisher nur zwei Gewölbquadrate enthielt und bis an
die Ostmauer des Schlosses reichte, war für den Hochmeister
und sein Kapitel zu klein; man verlängerte sie daher um fernere
zwei Quadrate, und brachte unter dieser Verlängerung im Erd_
geschosse eine zweite Kapelle, die St. Annenkapelle, an, welche
als hochmeisterliche Gruft diente. Die fein gebildeten Laubkapi-
täle und Sterngewölbe der oberen Kapelle gleichen denen des
Königsberger Domchores und werden daher ebenfalls unter dem
Hochmeister Dietrich von Altenburg (1- 1341) ausgeführt sein.
Dieser Zeit gehört denn auch der höchst merkwürdige Schmuck
an, mit welchem im Aeusseren die mittlere Polygonseite des
Chorschlusses prangt. In einer den Fenstern gleichen Nische
ist nämlich das Bild der Jungfrau, '26 F uss hoch, in hohem Re-
lief, und mit Glasmosaik farbig ausgelegt, auf Goldgrund enge-
bracht. Abgesehen von einzelnen Fehlern, namentlich der Kürze
des Arms, ist die kolossale Gestalt meisterhaft gebildet, das
Antlitz von edelstem Ernst, der Faltenwurf in einfachen Massen,
die Farbe sehr harmonisch, das Ganze für die VVirkung auf das
jenseits des Grabens entfernt stehende Volk vortrefflich berech-
net, dem es die Himmelskönigin, die Schutzpatronin des Ordens
und also des Landesherrn, wie in himmlischer Glorie strahlend,
zeigte. Schon der Gedanke einer so grossen Reliefgestalt im
Aeusseren ist völlig neu und ein Beweis der bewussten Kühn-
heit, mit welcher der Orden auch bei seinen künstlerischen Unter-
nehmungen verfuhr; noch ungewöhnlicher, ja einzig in seiner
Art ist das Werk durch die musivische Auslegung plastischer
Forme). Da der Orden grosse Besitzungen in Sieilien, sogar
einen Praeceptor Siciliae hatte, der in Palermo residirte, und da
auch sonst einige Details der preussischen Ordensbauten eine
Verwandtschaft mit sicilianischer Architektur haben im) , ist es
Ü Bei der Restauration der Statue hat man unter dem Mosaik einen far-
bigen Stucküberzug gefunden, so dass die musivische Auslegung erst Später
hinzugefügt zu sein scheint. v. Quast a. a. 0. S. 67.
9') Dahin gehören namentlich die Inschriftenfriese, welche, aus einzelnen
in Thon gebrannten Majuskelbuchstaben zusammengesetzt, sich sowohl im