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Deutsche
Gothik.
wie in den Hallenkirchen gewöhnlich, den ganzen Bau oder doch
mehrere Schiffe umfasst, sondern dass jedes Schiff sein eigenes
niedriges Dach hat. Einfach und schmucklos steigen daher die
Mauern hoch hinauf, aus schmalen Wandpfeilern zwischen den
breiteren, aber durch ihre gewaltige Höhe dennoch ebenfalls
schlank erscheinenden Fenstern gebildet, am Fusse des Daches
von Zinnen gekrönt, an den dreifachen Giebeln der Chor- und
Kreuzseiten mit Stabwerk verziert, an allen Ecken von kleinen
achtseitigen, in scharfer Spitze aufsehiessenden Thürmchen flan-
kirt, während im Westen der einzige Thurm in wenig verjüng-
ten Stockwerken sich langsam und schwer erhebt und die Be-
deutung der grossen, weithin gelagerten Kirche gleichsam in ein
kurzes Wort zusammenfasst. Es ist merkwürdig, wie dieser
Bau, obgleich das Werk einer handeltreibenden, schon damals
dem Orden nicht unbedingt ergebenen Bürgerschaft den kriege-
rischen Charakter der preussischen Schlossbauten beibehalten
hat. Auch die anderen Kirchen der alten Stadt sind durchgängig
mit hohen Seitenschiffen und geradem Chorschlusse, meist
durch sehr reich verzierte Giebel schön geschmückt und auch
sonst durch ihre malerische Erscheinung anziehend, aber ohne
besondere architektonische Eigenthümlichkeit und grossentheils
schon dem vorgerückten fünfzehnten Jahrhundert angehörend.
Wichtiger sind die Schlösser, mit denen der Orden das
Land bedeckte, und die noch jetzt trotz aller Unbill, welche die
Kriege des fünfzehnten Jahrhunderts, polnische Starostenwirth-
schaft, oder preussische Oekonomie durch Verwendung zu Ma-
gazinen oder Strafanstalten ihnen zugefügt haben, in grosser
Zahl von natürlichen Hügeln oder von hohen Unterbauten, wie
von künstlichen Felsen mächtig über die Flächen hinschauen.
Die Grundzüge der alten Anordnung in den Aussenmauern und
dem gewöhnlich quadraten Hofraume, auch Wohl einzelne Säle
sind in vielen dieser Schlösser erhalten oder doch erkennbar, vor
Allem aber ist es wichtig, dass die herrlichste aller dieser Burgen,
das hochmeisterliche Schloss zu Marienburg 21') durch eine
4'] Die Literatur über Marienburg ist umfassend, aber keinesweges befrie-
digend. Frick's grosses Kupferwerk, mit Text von Rabe und Levezow, giebt
zwar vortreifliche, aber nicht ausreichende Zeichnungen, besonders da damals