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Deutsche
Gothik.
Freilich entging dadurch das Motiv zu kräftiger Gliederung der
Pfeiler, welche meist achteckig und nur von dünnen Rundstäben
begränzt sind, aber dennoch ist der Eindruck des Inneren der
preussischen Kirchen eben durch die Schlankheit dieser Pfeiler
und durch die Schönheit der räumlichen Verhältnisse meist ein
sehr befriedigender.
Die Bauthätigkeit des deutschen Ordens in Preusselfk)
fällt ganz in die Zeit des entwickelten gothischen Styls, und na-
mentlich sind alle Kirchen, die wir besitzen, mit Ausnahme ver-
einzelter Ueberreste 39k) nicht früher als im vierzehnten Jahrhun-
dert begonnen. Zwar langte die erste Sehaar von Ordensrittern
schon im Jahre 1226 an; 1231 wurde das Haus und die Stadt
zu Thorn gegründet und bald folgten viele solcher Stiftungen,
Aber bis zum Jahre 1'283, WO der Xiernichtuilgskrieg gegen die
heidnischen Preussen im Wesentlichen beendet war, fehlte es
doch an Ruhe und Sicherheit zu monumentalen Bauten, und auch
da musste man mit dem Nothwendigen beginnen , so dass grös-
sere Kirchen nicht wohl vor dem vierzehnten Jahrhundert ent-
stehen konnten.
Nicht alle kirchlichen Bauten standen unter der unmittelbaren
Leitung des Ordens; die Bischöfe, die freilich hier nicht sehr be-
günstigten aber doch nicht ganz zurückzuweisenderl Mönchs-
erden und bald auch die von deutschen Ansiedlern bewohnten
Städte schritten ebenfalls zu kirchlichen Neubauten, verfuhren
dabei nach den aus anderen deutschen Gegenden mitgebrachten
zugleich beweist, wie lebendig sich diese mittelalterlichen Traditionen hier bis
in so späte Zeit erhalten hatten.
ß) Im Allgemeinen sind für dieselbe (ausser den kurzen Bemerkungen in
meinen Niederländ. Briefen S. 164 ff.) nur die "Beiträge zur Geschichte der
Baukunst in Preussen" von F. v. Quast in den Neuen Preuss. Fron-Blättern
Bd. IX und Bd. XI zu nennen, welche scharfsinnige mid genaue kritische Un-
tersuchungen, aber ohne Zeichnungen und ohne Anspruch auf Vollständigkeit
der zu betrachtenden Gebäude geben. Von desselben Verfassers grösserem
Werke: Denkmale der Baukunst in Preussen, Berlin 1852, sind leider bisher
nur zwei Hefte erschienen. Eine lebendige Schilderung des Eindruckes der
preussisehen Bauten giebt Lübke's Aufsatz: "Acht Tage in Preussen", im Deut-
schen Kunstbl. 1856, S. 84- 154.
i") v. Quast, a. a. O. Bd. IX, zählt dahin die östlichen Thürme des D0-
mes zu Culmsee, etwa. von 1261, und einige Arcaden der Marienkirche in Elbing.