Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

Scholastik. 
19 
Gegner zu prüfen, immer tiefer auf die Quellen des Wissens, 
auf das Verhältniss des subjectiven denkenden Geistes zur gött- 
lichen Wahrheit einzugehen; man stiess auf Zweifel. Die gros- 
sen Meister des dreizehnten Jahrhunderts, Albertus Magnus und 
Thomas von Aquino, sind von ihnen noch wenig berührt, aber 
sie kennen sie. Seit dem Beginn des vierzehnten Jahrhunderts 
wird die Kluft immer grösser; Duns Scotus betrachtet den Ver- 
stand als eine unbeschriebene Tafel, die ihre Eindrücke durch die 
äusseren Objecte erhält; Wilhelm von St. Pourcain findet, dass 
diese Eindrücke und die aus ihnen gebildeten Begriffe nur ver- 
worren oder einseitig sein können, und Wilhelm von Occam be- 
weist, dass die Vernunft nicht die Dinge selbst, sondern nur 
Leichen derselben. denke; der neue N ominalismus , den er be- 
gründet, 1st wirklicher Skepticismus. Auch diese Männer waren, 
W16 Jene filißrßn Scholastiker, durchaus gläubig gesinnt; sie 
meinten nicht der Suche der Kirche zu schaden, wenn sie be- 
wiesen, dass die Lehren des Glaubens nicht mit dem Vgl-Staude 
erkannt werden könnten. Sie verbanden damit die Lehre, dass 
eine übernatürliche Erleuchtung, die durch geistliches Leben er_ 
langt werde, das Glauben in Schauen verwandeln könne. Sie 
wollten das Glaubensleben höher stellen, als die natürliche Ver- 
nunft. Aber jene ungetheilte Einheit des geistigen Wesens, in" 
der sich das frühere Mittelalter bewegt hatte, war damit ge- 
brochen; die Theologie als Wissenschaft ruhte nur auf der Au- 
torität der Kirche, der Glaube auf subjectiver innerer Erfahrung, 
der Versuch, ihm auch die Kraft erwiesener Wahrheit zu geben, 
war gescheitert. 
Allein dennoch war die Arbeit keine vergebliche gewesen, 
Das Ringen mit den geheimnissvollen Lehren der Offenbarung; 
die Gefahr des Irrthums und der Eifer des Streites hatten zui 
einer Ausbildung des formalen Denkens geführt, wie man sieä 
noch nicht gekannt hatte. Gerade die Meister des vierzehnten" 
Jahrhunderts, welche auf die Erkenntniss der religiösen Ge- 
heimnisse verzichteten, hatten in der dialektischen Kunst das 
Höchste erreicht und wurden deshalb von ihren Zeitgenossen 
bewundert. Man war sich bewusst, in dieser neuen Kunst ein 
gewaltiges Mittel, den Schlüssel zu jeglicher, nur nicht überir- 
2 a:
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.