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Deutsche
Gothik.
bedeckt. Wollte man hier die Aufrichtung einer Giebelmauer
vermeiden, so war die Bedachung an jenen eingehenden Winkeln
überaus Schwierig, während bei der Ueberspannung derselben
mit einer flachen Wölbung und dem darauf liegenden Dache die
Aufgabe ziemlich leicht und mit geringeren Kosten gelöst
wurdet). Die Bürgerhäuser, welche in ihrer eigenthümlichen
Bauweise und der reichen Verzierung mit in Thon gebranntem
Bildwerk und Reliefs der Stadt Lüneburg einen hohen Reiz ver-
leihen, gehören nicht mehr dieser, sondern der folgenden
Epoche an.
Auch für Pommern die?) war das vierzehnte Jahrhundert eine
Zeit der Blüthe und architektonischen Regsamkeit, die sich
jedoch mehr durch die Zahl der Bauten und durch die Mannig_
faltigkeit der Formen, als durch Erzeugung selbstständiger Typen
äussert. Hallenkirchen und Kirchen mit niedrigen Seitenschiifen
kommen gemischt vor, doch so, dass jene Form in dem östlichen
an Preussen anstossenden, diese in dem westlichen an Mecklen-
burg angränzenden Theile vorherrscht. In diesem können wir
denn auch in der That den Einfluss jener eben beschriebenen
Mecklenburgischen Schule sehr genau verfolgen. Während näm-
lich im vorigen Jahrhundert auch hier Hallenkirchen gebaut
waren, namentlich in Stralsund die Klosterkirche St. Katharina,
in Greifswald die Jacobikirche und die Marienkirche, erhebt sich
in der ersten Irlälfte des vierzehnten Jahrhunderts (eigentlich seit
1311) in Stralsund wiederum eine Nicolaikirche ganz nach
dem Plane jener mecklenburgischen Bauten mit dem Kranze von
fünf Kapellen in der früher geschilderten Weise, mit niedrigen
SeitenschiHen, die auch hier durch je zehn Pfeiler vom Mittel-
4'] Das Vorkommen dieser Dachbehandlung verdient als ein charakteristi-
scher Zug von Formlosigkeit nähere Beachtung, namentlich wird zu ermitteln
sein, 0b sie sich auch in den Niederlanden an den Kathedralen von Utrecht,
Tournay u. s. w. findet. Einer gütigen Mittheilung des Herrn Bauraths Haase
in Hannover verdanke ich die Kenntniss eines Falles, wo sie auch an einem
{freilich bei grossartiger Anlage nicht vollendeten) Quaderbau vorkommt.
Es ist dies die St. Andreaskirche zu Hildesheim, ein Bau des fünfzehnten Jahr-
hunderts, mit vollständigem Kapellenkranze.
Genügende Quelle ist Kuglefs Pommersche Kunstgeschichte in den
kl. Sehr. I, 707 ff., mit einigen leichten Abbildungen.