Lüneburg.
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Unter den Bauten des Herzogthums und der Stadt Lüne-
burg nimmt die oben erwähnte, im Jahre 1409 geweihete Ni-
kolaikirche einen hervorragenden Rang ein, sowohl durch ihr
schlankes, 100 Fuss hohes und weit über die Abseiten hinauf-
steigendes Mittelschiff, als durch den Kapellenkranz, der hier
zwar ein reicheres Gewölbe wie in den mecklenburgischen Kirchen
dieser Art, aber dieselbe rohe Bedachung hat. Ein Kreuzschitf
fehlt und überhaupt ist die jetzige nur aus vier Jochen und dem
Chorhaupte bestehende Kirche wohl nur der wie so häufig pro-
visorisch abgeschlossene Anfang eines kolossalen Planes, zu dem
die Mittel nachher ausblieben V). Auch in der Breite ist die An-
lage sehr bedeutend; neben dem eigentlichen Seitenschiffe liegt
nämlich nicht blos wie sonst eine Reihe kleiner Kapellen, sondern
vermöge der Durchbrechung der Strebepfeiler ein zweites freilich
sehr schmales Seitenschili", das von sehr niedrigen Gewölben ge-
deckt ist und auf denselben eine ziemlich geräumige, in der Höhe
der Seitenschiffe überwölbte Empore trägt. Die Details sind im
Ganzen roh, so namentlich die Bildung der achteckigen Pfeiler
und die Profile der Bögen und Fenster, dagegen hat der Lauf-
gang unter den Oberlichtern eine reiche, in dem hier einheimischen
Gypskalke geformte Maasswerkbalustrade. Die anderen Kirchen
Lüneburgs sind sämmtlich Ilallenkirchen von bedeutendem Flä-
cheninhalte, aber schwerliilliger Form, doch mit einigen localen
Eigenthümlichkeitenii-ii). Namentlich interessirt uns, dass bei
zweien dieser Kirchen, bei der fünfschifiigen Johannes- und der
dreischifiigen Lambertuskirche, ungeachtet der verschiedenen Ver-
hältnisse jene eigenthümlich rohe Bedachung des Chores vor-
kommt, wie an der N icolaikirche, und gewissermassen mit grösse-
rer Berechtigung. Beide Kirchen sind nämlich in Hallenform und
haben im Langhause ein hohes Dach, welches bei St. Lambertus
alle drei, bei St. Johannes die drei mittleren Schiffe gemeinsam
"Ü Schon bei diesem Fragmente des vollständigen Planes sind nur die
östlichen Theile sorgfältig fundamentirt, die westlichen in jeder Beziehung
höchst nachlässig behandelt.
w) In mehreren dieser Kirchen kommen auf jedes Joch zwei Fenster, wie
wir dies in Breslau fanden, jedoch nicht mit der Gewölbanlage wie dort, son-
dern mit einfachem Kreuzgewölbe, dessen äussere Kappe nur durch eine fünfte,
zwischen den Fenstern aufsteigende Rippe getheilt wird.