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Deutsche
Gothik.
ist dann die h. Geistkirche in Königingrätz, mit niedrigen Seiten-
schiffen in Ziegeln gebaut, aber von edelstcr Ausführung. Aus-
serhalb Böhmens mag hier die prachtvolle Klosterkirche auf dem
Oybin in der Lausitz (1369 1387), jetzt bekanntlich nur eine
höchst malerische Ruine, erwähnt werden, da sie von Karl ge-
stiftet ist und in der Schlankheit ihrer einschiftigen Anlage den
Charakter der böhmischen Bauten theilti-t).
Auch die St. Barbarakirche zu Kuttenbergw), nächst dem
St. Veitsdome der grossartigste gothische Bau in Böhmen, aber
auch wie dieser unvollendet, gehört zum Theil, wenn auch nicht
in die Zeit Karls IV., so doch in die seines Meisters Peter von
Gmünd, da sie etwa 1384, wahrscheinlich von einem seiner Schü-
ler, begonnen wurde und in den dieser ersten Bauzeit angehörigen
'l'heilen Aehnlichkeiten mit dem Kolliner Chorbau trägt. Der
Bau, dem dieser Meister eine zu grosse Ausdehnung gegeben,
wurde langsam betrieben, und beim Ausbruche der Hussitenun-
ruhen war der Chor noch ohne oberes Gewölbe, und das Lang-
haus nur angefangen. Gänzlich unterbrochen, wurde er erst 1483
fortgesetzt, hauptsächlich durch einen damals berühmten böhmi-
schen Meister, den Baccalaureus Matthias Reiseck, und zwar,
da inzwischen der Bergwerksreichthum der Stadt gewachsen
war, mit neuer Erweiterung in der Art, dass die dreischiflige
Anlage des Langhauses vermöge eines sehr dreisten Uebergan-
ges in eine fünfschiffige verwandelt wurde. Dies gehört einer
späteren Epoche an, doch auch der ursprüngliche Bau ist sehr
prachtvoll, das Mittelschiff wieder von schlanksten Verhältnissen
fast 100 Fuss hoch bei einer Breite von nur 34 Fuss, der Chor
mit niedrigem Umgange und Kapellen, die aber nicht polygon-
förmig vertreten, sondern nur den mächtigen Strebepfeilern ein-
gebaut sind. Der innere Chorschluss ist fünfseitig aus dem
Neuneck, der Kapellenkranz aber sechsseitig aus dem Zwölfeck,
so dass auch hier wieder, ähnlich wie in Kollin, die Längenachse
zuletzt auf einen Pfeiler stösst.
Ü Puttrich, Abth. 1, Thl. II, S. 15, Taf. 5 und 11.
w") Vurgl. besonders die mittelalterl. Kunstdexlkm. des österr. Kaiserstaates
I. S. 171 H. Taf. 28-33, mit Text von Wocel, der sich auf Gruebers archi-
tektonische Untersuchungen gründet.