Burg
Karlstein.
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der Reichskleinodien, die noch besonders bewacht und nur unter
vorgeschriebenen Feierlichkeiten geöffnet wurden? Unten mit
grossen Edelsteinen, Jaspis und Onyx, Amethysten und Car-
neolen, oben mit Bildtafeln von Heiligen und Fürsten geschmückt,
am Gewölbe das Firmament, Sonne und Mond in edlen Metallen,
die Sterne von Glas auf glänzender Folie, selbst die Fenster, die
bei der ungeheuererl Dicke der Mauern kaum Tageslicht durch-
liessen, aus Edelsteinen zusammengesetzt, musste der keines-
Weges grosse Raum bei dem Lichte von mehr als tausend Ker-
zen, deren XVandleuchter noch erhalten sind, einen wunderbaren
Eindruck machenii). Der Rcichthum des böhmischen Gebirges
an solchen Halbedelsteinen erklärt einigermassen den Gedanken
dieser Decoration, und eine weitere Einwirkung auf die Baukunst
hatte sie nicht, aber dass der Geschmack eines so klugen und
gebildeten Fürsten, wie Karl war, diese Richtung nehmen konnte,
ist ein wichtiges Zeichen der Zeit und zeigt, wie sehr der Sinn
für die klare Gesetzlichkeit architektonischer Gestaltung gewi-
chen war, und wie man statt nach diesem offenkundigen Geheim-
nisse nach mystischen Anschauungen strebte.
Karls Beispiel und Einfluss weckte die Baulust in seinem
ganzen Reiche und die fremden Meister zogen einheimische
Schüler heran, deren Werke ein gemeinsames Gepräge tragen.
Von Peter von Gmünd stammt die Neigung, Räume von über-
mässiger Schlankheit zu bilden, deren wir in keinem Lande so
viele finden, wie in Böhmen, und eine Choranlage mit vier Seiten
des Achtecks findet sich wie in Kollin und am Karlshofe auch
an der erst 1407, also lange nach seinem Tode gegründeten Teyn-
kirche zu Prag. Die Details haben aber eine sonderbare Mager-
keit, die mehr auf das Beispiel des Matthias von Arras "hinweist.
Die Kirchen sind häufig einschiffig, wie in Prag ausser einigen
kleineren auch die grösseren St. Apollinaris und St. Maria im
Schnee, oder Hallenkirchen, wie die der grossen Prager Abtßi
Emmaus, Welche bei übrigens reicher Ausstattung überaus nüch-
tern gebildete Pfeiler hat. Auch der grossartige Kreuzgang die-
ses Klosters, von dessen Wandmalereien wir später sprechen
werden, stammt aus dieser Zeit. Eines ihrer elegantesten Werke
"Ü Vgl. u. a. Passavant in v. Quasfs Zeitschr. I, 202 ftZ, u. Kuglerkl. Sehr. II, 496.