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Deutsche
Gothik.
kung, vielleicht selbst auf eine mystische Anspielung abgesehen
war; auch wird der geheimnissvolle Eindruck, den das weite,
hochgespannte Gewölbe über dem schwach beleuchteten Raume
macht, durch die dunkel farbige, durch reiche Goldstreifeil ge-
hobene Bemalung, welche im Wesentlichen aus der Entstehungs-
zeit stammt, bedeutend erhöhet.
Bei einer Stiftung des nicht blos ritterlichen und prachtlie-
benden, sondern auch gelehrten und mystisch gestimmten Kaisers
dürfen wir wohl an eine solche Absicht denken, wenigstens ist
seine Vorliebe für dunkeln geheimnissvollen Furbenglanz ausser
Zweifel. Selbst die in den nordischen Ländern bisher ungeübte
Kunst des Mosaiks verpflanztc. er hieher, um schon am Aeusseren
des Domes glänzendes Bildwerk zu geben. Die St. Wenzels-
kapelle, die er als die Grabstätte des ersten christlichen Böhmen-
königs und Märtyrers im Dome einrichten liess, erhielt an ihren
unteren Wänden im Inneren Gemälde, die von in vergoldetem
Gypse eingefügten polirten Halbedelsteinen umgeben sind. In
demselben Geiste, aber viel prächtiger und phantastischer ge-
schmückt War dann des Kaisers Lieblingsstiftung, seine Burg
Karlstein. VVenige Stunden von Prag, auf dem höchsten Felsen
in romantisch schöner Gegend einsam und schwer zugänglich ge-
legen, ein Schloss zu zurückgezogenem Aufenthalte des Fürsten
und eine Veste zur Aufbewahrung der Reichskleinotlien und des
Archivs, trug sie zugleich einen geheimnissvollen priesterlichen
Charakter. Wenn König Eduard von England mit seinen Rit-
tern die 'l'afelrunde erneuerte, dachte Karl offenbar an den Gral.
Zwei Kirchen und zwei Kapellen waren in den Ringmauern des
Schlosses, die Grundsteinlegung und die Einweihung (1348 und
1357] wurden durch den Erzbischof von Prag mit höchstem
kirchlichen Pomp vorgenommen. Kein Weib, nicht einmal die
Kaiserin, durfte darin zur Nacht weilen, eine Schaar zu diesem
Amte besonders auserlesener Lehensträger hielt Tag und Nacht
VVache, und stündlich erscholl vom Thurme herab in die Thäler
der Ruf an den VVanderer, fern zu bleiben, damit ihn nicht
Schaden treffe. Die glänzendste Stelle des Heiligthums, ver-
borgen in dem gewaltigen Thurme, der mitten im Burgraume
aufstieg, war die Kirche des h. Kreuzes, der Aufbewahrungsort