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Deutsche
Gothik.
jetzigen, in vielfacher Beziehung unvollendeten Gestalt bis ins
sechszehnte Jahrhundert. Die Baurechnungen ergeben eine Reihe
von Meistern, unter denen von 1390 an bis 1480 das Geschlecht
der Ensinger in mehreren Geilerationen, dann von 1474 an der
bekanntere Matthäus Böblinger von Esslingen auftritt, der den
Thurm vollenden sollte, aber, weil derselbe zu sinken drohte, sich
dem erschreckten und aufgeregten Volke durch die Flucht entzog.
Leider wissen wir von den ersten, bei und nach der Grundstein-
legung thätigen Werkmeistern nur ihre Namen, Heinrich und
Michael, nicht aber ihren Ursprung oder Andeutungen über die
Schule, aus der sie hervorgegangen 15]. Ungeachtet seiner gewal-
tigen Verhältnisse sollte das Gebäude sich von den Kathedralen
unterscheiden und den Charakter einer Pfarrkirche behalten, man
gab ihm daher nur Einen, nicht zwei Thürme an der Fagade, be-
absichtigte dagegen die Anlegung zweier kleinerer Thürme neben
dem Chore, im Osten der Seitenschilfe. Der Grundplan war im
iVesentlicheil derselbe, wie er damals in den Pfarrkirchen vor-
kam und mit der Form der Hallenkircheil zusammenhing. Drei
Schiffe von fast gleicher Breite und unmittelbar daran, ohne Kreuz-
schiti, ein Chorraum von der Breite des Mittelschitfes, polygon-
förmig mit fünf Seiten des Zehneckes geschlossen. Dass man
dennoch die Seitenschiffe niedriger, von halber Höhe des Mittel-
schiffes bildete, war vielleicht Weniger durch eine Vorliebe für
diese Form, als durch die gewaltigen Dimensionen bedingt. Das
Mittelschiff hat eine lichte Breite von 54 Fuss, also mehr wie im
Kölner Dome, und diese gewaltige Breite forderte eine entspre-
chende Höhe, Welche hier ebenfalls dem Kölner Dome ähnlich auf
133 Fuss bestimmt ist. Diese Höhe allen drei gleichbreiten
Schiffen zu geben, konnte man unmöglich wagen, bedurfte viel-
mehr zur Stütze des Mittelgewölbes der anstemmenden Kraft
niedrigerer Seitenschiffe, welche auch so noch die ganz beträcht-
liche Höhe von 66 Fuss erhieltendd-g). Auch erregte die grosse
Spannung selbst dieser Seitengewölbe später Besorgnisse, so
"Ü Vergl. über alle diese Thatsachen das in seiner Art musterhafte kleine
Werk: Grüneisen und Manch, Ulms Kunstleben im Mittelalter, Ulm 1840.
Die ganze Länge des Baues beträgt im Aeusseren 490, im Lichten 392,
die Breite 170 rhein. Fuss.