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Deutsche
Gothik.
Stadt geweilt, tmd Karl IV. , dem sie, freilich gegen den Willen
des Raths, anfangs die Anerkennung versagt hatte, wurde, nach-
dem er sich den Eingang mit Waffengewalt erzwungen, ihr noch
eifrigerer Gönner. Unter seiner Regierung nahm auch die Kunst
in Nürnbergs Mauern einen lebendigeren Aufschwung und bil-
dete schon jetzt ihre charakteristischen Züge aus. Eine gewisse
Abgeschlossenheit, ein fast eigensinniges Festhalten an der Orts-
gewohnheit gehörte zum Wesen des deutschen Bürgerthums, und
gerade in Nürnberg war dieser Localgeist besonders stark. Ver-
gleicht man die Fagade der Lorenzkirche, die beim Beginn dieser
Epoche schon weit vorgeschritten sein musste, mit der Westseite
der älteren Sebaltluskirche, so bemerkt man, dass jene, obgleich
der neueren Schule angehörig, doch im WVesentlichen die Motive
des älteren einheimischen Baues wiederholt. Ihre Thürme sind
keinesweges nach gothischem Principe, sondern ganz wie dort
aus einzelnen, durch Gesimse und Bogenfriese getrennten Ge-
schossen gebildet, und der Mittelbau, obgleich statt des derb aus-
ladenden Polygons der Löffelholzischen Kapelle Portal und Ro-
senfenster, Prachtstücke feiner gothischer Arbeit enthaltend, ist
doch eben so wenig mit den Thürmen verbunden, wie jene C oncha.
Und wiederum wurde dann die Thurmbekrönung der Lorenz-
kirche sogleich (1300-1345), wiewohl mit einigen Verände-
rungen, auf die Sebalduskirche übertragen.
Unter den Gebäuden aus der ersten Hälfte des vierzehnten
Jahrhunderts verdient der kleine Bau der Moritzkapelle, ein-
schiflig mit polygonem Schlusse und zweitheiligen Maasswerk-
fenstern, Erwähnung, weil er, obgleich ohne besondere An-
Sprüche, von besten Verhältnissen und sehr harmonisch gebildet ist.
Viel bedeutendere Aufgaben brachte die zweite Hälfte, die Zeit
Kaiser Karls IV., darunter zunächst die Zierde des grosseix Marktes
der Stadt, die Liebfrauenkirche. Hier wie in anderen Ge-
genden Deutschlands hatten die öffentlichen Leiden den Vorwand
oder Anlass zu Judenverfolgungen gegeben, und man glaubte
häufig, den Zorn des Himmels dadurch zu sühnen, dass man auf
dem Flecke ehemaliger Synagogen Marienkircheu errichtete. So
geschah es auch hier, nur dass nicht schlichte Bürger, sondern
der kunsdiebende Kaiser die Sache in die Hand nahm. Nürnberg