Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

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Einleitung. 
stand diese Sitte im Zusammenhange mit der ganzen Denk- 
weise und mit der Gewohnheit starker" Gegensätze und über- 
triebener Ausdrucksweise. Jetzt aber, bei einer viel milderen, 
eher glatten als schroffen Sitte, wurden daraus Schauspiele, 
bei denen alle Rollen vertheilt, alle Reden lmd Antworten 
vorher bestimmt waren. WVenn die Bürger von Calais vor 
Eduard III. im Busshemde mit dem Stricke um den Hals er- 
schienen und erst auf inständiges Bitten seiner Gemahlin gegen 
hohe, an diese zu bezahlende Geldbusse begnadigt wurden, 
und bei dem ganz ähnlichen Aufzuge der Frauen gefangener 
aufständischer Bürger von Paris vor dem Kanzler des Kö- 
nigs '11) waren immer die Geldbussen der eigentliche Kern der 
Sache und der ganze Pomp von Recht und Gnade nur eine 
Ausschmückung. Noch aulfallender ist aber, wenn bei solchen 
theatralischen Schaustellungen die Fürsten selbst als handelnde 
Personen auftreten. Auf dem Reichstage zu Coblenz im Jahr 
1338 sass Kaiser Ludwig auf hohem Throne im kaiserlichen 
Ornate in der Mitte des Marktes, ein Ritter mit blossem Schwerte 
hinter ihm, zu seiner Seite eine grosse Zahl von Herzogen, Erz- 
bischöfen und Grafen, in seinem Gefolge gegen 17,000 Edle 
und Ritter. Dann erschien auf einem anderen Throne König 
Eduard III. von England mit seinen G-rossen und klagte gegen 
Philipp von Valois, wie er den König von Frankreich nannte, 
der ihm die französische Krone, sein rechtmässiges Erbe, vor- 
enthalte. Und nun erkannte das Gericht der deutschen Fürsten 
die Klage für gerecht, und der Kaiser erliess demgemäss eine 
Aufforderung an Philipp, ihr Folge zu leisten. Dennoch war die 
ganze Herrlichkeit nur ein Schaugepränge, das Urtheil nur die 
Form eines Allianzvertrages, durch Welchen der reiche König 
nicht sowohl die Hülfe des schwachen Kaisers, als vielmehr die 
Gelegenheit, deutsche Reichsfirsten als Söldner an sich zu 
ziehen, erlangen wollte. .Wenn daher Froissard bei Hergängen, 
Wo Ehrgeiz lmd andere Leidenschaften die augenscheinlichen 
'l'riebfedern bildeten, uns einen Dialog von Hülfe suchenden 
Fürstinnen und edeln Rittern, die, vermöge ritterlicher Pflicht 
zur Ehre Gottes, so hohes und gefahrvolles Unternehmen ge- 
"j Froissard, Livre II, eh. 205. 
	        
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