Der
Dom
ZU
Strasburg.
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Aufspriessens von unten an consequent verfolgt. Die Horizontal-
linien sind zwar unverhüllt aber von massiger Ausladung, und
die ganze Fagade ist mit Verticalstäben bedeckt, welche schon
neben den Portalen anfangend sich (lurch leichtes Maasswerk
den Gesimsen ansehliessen, dann als Gitterwerk von schlanker
und überraschender Kühnheit vor den Mauern und ltlensteröff-
nungen sich fortsetzen, und so das Auge beständig beschäftigen
und allmälig und sanft nach oben hinleiten. Die Kritik mag diese
Ausstattung eine verschwenderische nennen, an ihr die über-
mässige Betonung des Verticalen, das Yortvalten des Decora-
tiven über das Constructive rügen, aber man muss die Reinheit
der Formen, die Consequenz in der Durchführung, den Geist und
die technischen Kenntnisse des Meisters anerkennen, und wird
sich dem bedeutenden Eindrucke des WVerkes nicht entziehen
können. Nicht mit [lnrecht hat man getadelt, dass der ganze
Vorbau Erwins auf eine zu grosse, den Verhältnissen der Kirche
nicht entsprechende Höhe angelegt sei, indessen darf man auch
nicht unerwähnt lassen, dass sein Plan, auch abgesehen von der
Gestalt des 'l'hurn1helmes, nicht unverändert zur Ausführung ge-
kommen ist. Nach seiner Absicht sollte nämlich der breite Unter-
bau des 'l'hurmhauses nur aus zwei mächtigen Stockwerken be-
stehen und darüber das Aufsteigen der beiden getrennten 'l'hürme
beginnen. Seine Nachfolger haben aber, wahrscheinlich im Miss-
trauen gegen seine statische Berechnung, diese beiden 'l'hürme
in ihren unteren viereckigen Stockwerken durch einen Zwischen-
bau verbunden, so dass nun allerdings dieser Vorbau eine Höhe
und ltlassenhaftigkeit erreicht, gegen welche die Kirche klein
erscheint.
Von dem Freiburger Thurme, der in seinen bescheidenen
Dimensionen das Glück zeitiger Vollendung hatte, haben wir schon
gesprochen; (lagegen ist noch der Chor dieses Münsters zu er-
wähnen. Seine Geschichte ist einigermassen (lunkel; im Jahre
1354 wurde nach einer noch vorhandenen Insehriftäj der Grund-
stein dazu gelegt, auch betrieb der Rath der Stadt den Bau so
ernsthaft, dass er in einem noch erhaltenen Vertrage den Meister
Johannes von Gemünd als Werkmeister „des neuen Chores"
Ü Dr. Schreiber, das Münster zu Freiburg im Breisgau, 1829.