Decoralive
Bauten.
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Aber dennoch mussten gerade diese, als die heiligste Stelle, einen
hohen, weithin sichtbaren Schmuck erhalten, der nun, da er den
Altar nicht bedecken, sondern nur als VVand hinter ihm ange-
bracht werden durfte, sich nicht thurmähnlich, sondern in die
Breite strecken und in luftigen Stockwerken erheben musste.
Dafür fehlte es aber völlig an leitenden architektonischen Motiven
und die Phantasie der Meister war noch mehr auf ein willkür-
liches Spiel mit Maasswerkformen angewiesen, so dass diese
Vorliebe für reich geschmücktes Beiwerk immer mehr dahin
wirkte, den Schmuck als etwas Selbstständiges, von den eon-
structiven 'l'heilei1 des Baues Unabhängiges erscheinen zu lassen
und die ursprüngliche Einheit beider, vermöge welcher das Or-
nament nur dieBlüthe der Construction ist, zu lösen.
In auffallendem Gegensatze zu dieser schwerfälligeil und
übermüthigen Pracht bemerkt man in anderen Beziehungen
Aeusserungen einer fast dürftigen und anscheinendabsichtlichen
Einfachheit. Zum Theil lag dies an dem unkünsllerischen Sinne
des städtischen Bürgerthums, der bei der Anlage des Ganzen,
bei den nützlichen und wiederkehrenden Theilen eine hausväter-
liche Sparsamkeit verlangte, und nur an besonderen Stellen sich
etwas zu Gute thun wollte. Allein auch religiöse Gründe kamen
hinzu; die Innerlichkeit und Demuth der Mystiker, ihre Oppo-
sition gegen die Aeusserlichkeit des Cultus wirkte denn doch
auch weit ausserhalb ihres engeren. Kreises. Es fehlte nicht an
solchen, die wie Nicolaus von Basel bemerkt haben wollten, dass
die Kirchlein mit hölzernen Bühnen beim Erdbeben verschont ge-
blieben, während die hohen Münster mit den köstlichen Gewöl-
ben eingestürzt seien. Wie er bei der Kirche im grünen Wörth
selbst gegen die Wölbung, also nicht gegen überflüssigen
Schmuck, sondern gegen verständigen Aufwand protestirte,
mochten auch Andere sich .von ärmlich gehaltenen Kirchen mehr
angesprochen fühlen, als von mächtigenKathedralen, und ihren
Einfluss dahin geltend machen, dass auch städtische Pfarrkirchen
einen fast absichtlichen Schein der Demuth annahmen, den früher
kaum die Kirchen der Bettelorden hatten.
Diese Gegensätze von Einfachheit und Prunk trugen dazu
bei, die hlannigfaltigkeit der Formen, die durch die politischen