Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

Decoralive 
Bauten. 
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Aber dennoch mussten gerade diese, als die heiligste Stelle, einen 
hohen, weithin sichtbaren Schmuck erhalten, der nun, da er den 
Altar nicht bedecken, sondern nur als VVand hinter ihm ange- 
bracht werden durfte, sich nicht thurmähnlich, sondern in die 
Breite strecken und in luftigen Stockwerken erheben musste. 
Dafür fehlte es aber völlig an leitenden architektonischen Motiven 
und die Phantasie der Meister war noch mehr auf ein willkür- 
liches Spiel mit Maasswerkformen angewiesen, so dass diese 
Vorliebe für reich geschmücktes Beiwerk immer mehr dahin 
wirkte, den Schmuck als etwas Selbstständiges, von den eon- 
structiven 'l'heilei1 des Baues Unabhängiges erscheinen zu lassen 
und die ursprüngliche Einheit beider, vermöge welcher das Or- 
nament nur dieBlüthe der Construction ist, zu lösen. 
In auffallendem Gegensatze zu dieser schwerfälligeil und 
übermüthigen Pracht bemerkt man in anderen Beziehungen 
Aeusserungen einer fast dürftigen und anscheinendabsichtlichen 
Einfachheit. Zum Theil lag dies an dem unkünsllerischen Sinne 
des städtischen Bürgerthums, der bei der Anlage des Ganzen, 
bei den nützlichen und wiederkehrenden Theilen eine hausväter- 
liche Sparsamkeit verlangte, und nur an besonderen Stellen sich 
etwas zu Gute thun wollte. Allein auch religiöse Gründe kamen 
hinzu; die Innerlichkeit und Demuth der Mystiker, ihre Oppo- 
sition gegen die Aeusserlichkeit des Cultus wirkte denn doch 
auch weit ausserhalb ihres engeren. Kreises. Es fehlte nicht an 
solchen, die wie Nicolaus von Basel bemerkt haben wollten, dass 
die Kirchlein mit hölzernen Bühnen beim Erdbeben verschont ge- 
blieben, während die hohen Münster mit den köstlichen Gewöl- 
ben eingestürzt seien. Wie er bei der Kirche im grünen Wörth 
selbst gegen die Wölbung, also nicht gegen überflüssigen 
Schmuck, sondern gegen verständigen Aufwand protestirte, 
mochten auch Andere sich .von ärmlich gehaltenen Kirchen mehr 
angesprochen fühlen, als von mächtigenKathedralen, und ihren 
Einfluss dahin geltend machen, dass auch städtische Pfarrkirchen 
einen fast absichtlichen Schein der Demuth annahmen, den früher 
kaum die Kirchen der Bettelorden hatten. 
Diese Gegensätze von Einfachheit und Prunk trugen dazu 
bei, die hlannigfaltigkeit der Formen, die durch die politischen 

	        
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