Das
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Ritterthum.
Wetteifer zu entflammt-an, und das Volk für den Edelsinn seiner
Vorkämpfer zu begeistern. Diese Kriege haben daher auch
einen Geschichtschreiber gefunden, der, obgleich Biirgerssohn
und Geistlicher, sich ganz in die Denkungsweise dieser ritter-
lichen Kreise eingelebt hat, und uns das anmuthigste Bild ihres
inneren Lebens gewährt. Ich spreche natürlich von Froissard.
Mag er im Einzelnen ungenau sein und die nüchterne Wahr-
heit verschönern, im Allgemeinen ist die Richtigkeit seiner
Schilderungen ausser Zweifel, und jedenfalls schreibt er so
sehr im Geiste seiner ritterlichen Gönner, dass er vollkommen
zeigt, was sie Wollten. Nicht leicht hat ein Chronist einen
anziehenderen Gegenstand gehabt, als er. Nicht blos der Muth
und die kriegerische Kraft dieser Helden, sondern auch ihr
Edelmuth, ihre Hochherzigkeit und Uneigennützigkeit sind noch
immer bewundernsiverth. Treue des Wortes, Beharrlichkeit
in der erkannten Pflicht, Anerkennung des Guten im Feinde,
edle Freigebigkeit; dann wieder Seelenruhe und Würde im.
Unglück, ltlässigilng im Siege, freundliche Sitte und Dienst-
fertigkeit, alle diese schönen Züge sind hier cinheimisch. Die
zarte Sorge, dem Gefangenen sein Schicksal zu erleichtern,
ihn durch Ehrenbezeugungen zu trösten, ist niemals weiter
getrieben. Die Formen des Umgangs sind gefällig, dem Mäch-
tigen gegenüber männlich und frei, gegen die Damen fein,
wenn auch zu preciös, gegen Untergebene ritterlichen Standes
wohlwollend, ohne gesuchte Herablassung, mit einem Aus-
druck von Zutraulichkeit und Gemüthlichkeit bei Gleichheit
des Ranges leicht, heiter und offen. Die Gespräche, welche
nach Froissardis Bericht an Festtafeln, auf freiem Felde, von
den Mauern der Städte und Burgen herab, geführt sind, erin-
4') Eduard III., von einem Angriff auf Calais, den die französischen
Ritter beabsichtigen, unterrichtet, kommt heimlich von England herüber,
mischt sich in den Kampf, und nimmt persönlich den Tapfersten der
Gegner, Enstache vonyRibanmont, gefangen. Nach der Mahlzeit, welche
Sieger und Besiegte in der Festung halten, geht er auf Eustache zu, setzt
ihm sein mit Perlen besetztes Barett (chapelet) auf das Haupt und sagt:
Je sais bien que vous ätes gai et amoureux et que volontiers vons vous
t-rouvez entre dames et damoiselles, si dites partout ou voue irez que je
le vous ai donne. (L. I, ch. 327-329.]