Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

Der 
Thurmbau. 
251 
Kathedrale von Lincoln und die von Boston. und Fotheringhay 
nur etwa 230 Fuss, also ungefähr eben so viel Wie die unvollen- 
deten Thürme von Notre-Dame von Paris und nur 25 Fuss mehr 
als die Plattform des Strasburger Münsters, auf welcher dann 
erst der obere Theil des 'l'hur1nes und zwar mit der ganzen Höhe 
jener englischen Thürme aufsteigt. In Frankreich fehlte der Sinn 
für die Bedeutung des Höhenmaasses gewiss nicht, aber die 
Ausführung blieb hinter der Absicht zurück. Die beiden West- 
thürme der Kathedrale von Chartres sind die einzigen von eini- 
germassen beträchtlicher Höhe, der nördliche, erst im sechszehn- 
ten Jahrhundert ausgeführte 360 Fuss, der andere, ältere nur 
wenig kleiner; nach ihnen kommen aber sogleich die der Kathe- 
drale von Rodez im südlichen Frankreich, und die von Bayeux 
und Coutances in der Normandie mit einem Höhenmaasse von 
224 bis 240 Fuss. Freilich beabsichtigten die Meister der Ka- 
thedralen von Paris, Amiens und Rheims Grösseres, aber die 
Thürme der ersten sind nur bis auf 230 Fuss hinaufgeführt und 
die beiden anderen erreichen dies Maass noch nicht. 
Ein anderer, thatsächlich eben so unbestreitbarcr, aber frei- 
lich seinem ästhetischen Werthe nach verschieden beurtheilter 
Vorzug der deutschen 'l'hurmbauten ist die feinere und reichere 
Ausarbeitung des Details. Au sämmtlieheu englischen Thürmeu 
und an den französischen mit Ausnahme von zwei oder drei der 
im sechszehnten Jahrhundert ausgeführten, ist der Helm völlig als 
pyramidales Dach behandelt und nur oben mit Stäben und Krap- 
peu auf den acht Ecken und mit Horizontalleisten und Fenstern 
oder kreisförmigen Oeffnungen verziert. Den deutschen Meistern 
genügte dies nicht, uud sie kamen auf den kühnen Gedanken, ihn 
ganz aus durchbrochenem Maasswerk zu bilden, WO denn die 
Fiction innerer Stockwerke völlig forttiel und die Horizontalbänder 
nur die Aufgabe hatten, die acht grossen Stäbe der Ecken und die 
Maasswerkfüllung zusammenzuhalten. Man hat diesen Gedanken 
getadelt, weil es Widcrsiunig sei, ein Dach durchbrochen zu bil- 
den; allein iu der That bedurfte es hier keiner Wahren Bedachung. 
Die unteren, die Glockenstube enthaltenden, Räume mussten ohne- 
hin schon durch eine feste Wölbung geschlossen urerden, Welche 
als Dach dient; mit dieser hatte der Thurm seinen eigentlichen 

	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.