Der
Thurmbau.
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tindet, oder wenn dies nicht genügte und man den Zweck der
Umschau oder der Vertheitligung damit verbinden wollte, ein
einfacher, gerade geschlossener 'l'hurm, wie die italienischen,
ausgereicht haben. Allein dabei blieb man in unseren Ländern
nicht stehen. Der Thurm wurde vorzugsweise in seiner sym-
bolischen Bedeutsamkeit aufgefasst; er sollte recht eigentlich
über das Nützliche hinausgehen, zeigen, dass Gottes Ehre in
dieser Gemeinde mehr gälte als blosser Nutzen. S0 stand es
schon in der romanischen Epoche und schon damals linden wir
dies Gefühl nirgends so lebendig wie in Deutschland; in keinem
anderen Lande sind die mit zahlreichen, sinnvoll geordneten
Thurmgruppen gezierten Kirchen so häufig wie bei uns. Eine
Steigerung, aber auch eine andere Richtung, erhielt dies Gefühl
in der Gothik, denn da hier derselbe symbolische Gedanke das
ganze Gebäude durchdrang, alle Höhenmaasse steigerte, auf allen
Punkten gipfelte, musste der Thnrm noch viel mächtiger hinauf-
streben. Die Gruppirnng in romanischer Weise war hierbei ent-
behrlich, dagegen War die Gestaltung des 'l'hurmes sehr viel
wichtiger, damit er als die ausgezeichneteste Erscheinung des
ganzen Gebäudes jenes Lehensprincip desselben recht kräftig
ausspreche. Dies lag so sehr im System der Gothik, dass der
Thurmgedanke eigentlich mit demselben lieranwuchs und daher
in Frankreich, dein Entstehungslandc dieses Systems, schon
frühe in seinen wesentlichen Erfordernissen verstanden war. Es
ist der Gedanke einer allmäligen Verjüngung, welche anfangs
kaum bemerkbar, weiter hinauf mit wachsender Beschleunigung
zunimmt und am Fusse des Helms so weit gesteigert ist, dass
sie zur directen Zuspitzung werden kann. Eine weitere Folge-
rung daraus ist dann, dass der Gegensatz zwischen dem senk-
rechten viereckigen Unterbau und dem pyramidalen achteckigen
Helm durch ein zwar senkrechtes aber schon achteckiges Stock-
werk vermittelt und jeder dieser drei Theile nicht nackt dem
anderen aufgesetzt werde, sondern aus ihm herauswachse, so
dass der Anfang des achteckigen Stockwerks- von den Fialen
der vier Ecken des Unterbaues, und der Anfang der Pyramide
des Helms von den Giebeln oder sonstigen Abschlüssen des
senkrechten Achtecks begleitet ist. So weit war man in Frank-