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Deutsche
Gothik.
geringere Höhe der Kapellen, im Verhältniss zum Chor bringt
feinere Veränderungen hervor, auf die ich hier nicht Weiter ein-
gehen darf. Es ist bemerkenswerth, dass diese Form, deren
frühestes, ausserdeutsches Beispiel die Kirche St. Yved in Braine
gegeben hatte, in so weit entlegenen Gegenden im Westen und
im Osten des damaligen deutschen Reiches aber immer vereinzelt
vorkommt.
WVährend in allen diesen Fällen der Chorralim selbst, gleich-
viel 0b Nebenchöre vorhanden sind oder nicht, unmittelbar von
den Aussenmauern begränzt ist, findet sich eine sehr grosse Zahl
von Kirchen, bei denen er, wie in Frankreich, von freistehenden
Pfeilern umstellt und also von einem Umgange begleitet ist; ja
dies wird im Laufe dieser Epoche bei allen grösseren Kirchen das
Gewöhnlichere. Allein nur selten und nur bei den prachtvollsten
Anlagen, wie an den Domen zu Köln, Prag, Augsburg und am
Münster zu Freiburg ist das französische System vollständig an-
gewendet, in allen übrigen Fällen mit einer grösseren oder ge-
ringeren Beschränkung. Nur bei einer kleinen Gruppe geo-
graphisch verbundener Kirchen, die ich als Ausnahme nachher
besprechen werde, ist diese Beschränkung so gering, dass dennoch
Umgang und Kapellen vorhanden sind und diese einzeln und po-
lygonförmig heraustreten. In der Regel besteht entweder nur ein
blosser Umgang oder derselbe ist zwar von kleinen Kapellen be-
gleitet, die aber nur zwischen den Strebepfeilern der Schluss_
mauern angebracht sind und nicht mit einem eigenen Polygon,
sondern blos mit einer geraden Wand, mit einer Seite des grossen,
durch den ganzen Umfang gezeichneten Polygones schliessen.
Beides kommt sowohl mit hallenartiger Anlage des Chors, als
bei der Herumführung niedriger SeitenschiEe vor; und zwar dies
letzte an der schönen St. Barbarakirche zu Kuttenberg in Böhmen
und an der Marienkirche zu Stralsund mit eingeschobenen kapel-
lenartigen Räumen, am Münster zu Basel, an der Pfarrkirche zu
Bamberg und an der Marienkirche zu Osnabrück ohne solcher).
Es bleibt in einigen dieser Fälle zweifelhaft, ob nicht die Anle-
Ü Mittelalterliche Kunstdenkm. des
Kugler kl. Sehr. I, 749. Beschreibung
Lübke Westphalen Taf. XIX.
österr. Kaiserstaates I, Taf. 28 ff.
der Münsterkirche zu Basel (1842).